Besonders Sprache, Bildung und Schule spielen für die Integration eine wichtige Rolle. Khaled, Zozan und Ayten erzählen, wie sie die erste Zeit in einer deutschen Schule erlebt haben.
In Deutschland herrscht Schulpflicht. Je nach Bundesland müssen Schülerinnen und Schüler mindestens neun Jahre zur Schule gehen. Auch für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche gilt diese Schulpflicht. Insbesondere seit der verstärkten Flüchtlingszuwanderung in den Jahren 2015 bis 2017 stehen deutsche Schulen vor der Herausforderung, vermehrt nicht deutschsprachige Schülerinnen und Schüler zu unterrichten und in das Schulleben zu integrieren.
Immer mehr Schülerinnen und Schüler brauchen Sprachförderung
Dass die Integration von ausländischen Schülerinnen und Schülern in das deutsche Schulsystem immer relevanter wird, unterstreichen aktuelle Zahlen. Laut des Statistischen Bundesamtes waren im Schuljahr 2017/2018 rund zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland Personen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Im Vergleich zum vorherigen Schuljahr stieg der Anteil um mehr als fünf Prozent an.
Aufgrund des Föderalismus in Deutschland gibt es deutschlandweit keine einheitlichen Vorgaben, welche Fördermaßnahmen schulpflichtige Migrantinnen und Migranten erhalten sollen. Verschiedene Schulen entwickeln daher eigenständig innovative Konzepte zur Förderung von Zugewanderten, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Spracherwerb als zentraler Baustein
Insbesondere die Überwindung der Sprachbarriere steht bei der Integration in den Schulalltag im Fokus. „Ohne Deutschkenntnisse können Schülerinnen und Schüler, die beispielsweise sonst gute Leistungen in Mathe oder Politik erbringen würden, ihr Potenzial nicht entfalten“ begründet Frau Dr. Höttecke, stellvertretende Schulleiterin des Albert-Einstein-Gymnasiums in Kaarst, die Schwerpunktsetzung des Integrationskonzeptes ihrer Schule.
Das Albert-Einstein-Gymnasium bekommt immer wieder vom
Kommunalen Integrationszentrum einzelne, ausländische Schülerinnen und Schüler zugewiesen, die bereits nach kurzer Zeit in eine regulär bestehende Klasse integriert werden. Dort nehmen sie am Unterrichtsgeschehen der Hauptfächer teil, erhalten aber zusätzlich durchschnittlich zehn Stunden pro Woche eine spezielle Sprachförderung durch DaZ-Lehrkräfte (Deutsch als Zweitsprache) der Schule.
Bei der Verteilung der Zugewanderten auf die regulären Klassen wird vor allem darauf geachtet, dass Mitschülerinnen und Mitschüler, die gegebenenfalls selbst einen
Migrationshintergrund haben, zu
Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie Mentorinnen und Mentoren werden können. So bekommen die ausländischen Lernenden mehr Sicherheit und die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund übernehmen Verantwortung.
„Zusätzlich haben wir es uns als Schule zum Ziel gemacht, ausländische Schülerinnen und Schüler über Arbeitsgemeinschaften wie zum Beispiel die Fußball-AG zu integrieren“ beschreibt Frau Dr. Hötteke eine weitere, ergänzende
Integrationsmaßnahme. Besonders gut biete sich dafür die Nachmittagsbetreuung an, da der
konventionelle Rahmen des Unterrichts dort aufgebrochen werde. Die Integration von neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern sei insgesamt ein wichtiger Bestandteil für ein funktionierendes und harmonisches Schulleben und müsse durch Konzepte im Schulprogramm verankert werden.
Förderung in Deutsch-Intensiv-Kursen
Der Spracherwerb nimmt auch bei der Migrationsförderung des Lessing Gymnasiums in Düsseldorf die Schlüsselrolle ein, bei der zugewanderte Schülerinnen und Schüler in Seiteneinsteigerklassen neun Monate ausschließlich im Fach Deutsch unterrichtet werden. Das Kommunale Integrationszentrum der Stadt Düsseldorf teilt der Schule die neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen zu, die in der Regel keinerlei Deutschkenntnisse mitbringen.Detlef Bohn, Lehrer und Koordinator der Seiteneinsteigerförderung, leitet einen von aktuell drei Deutsch-Intensiv-Kursen der Schule. Für die 20 Schülerinnen und Schüler stehen 25 Stunden Deutsch pro Woche auf dem Stundenplan. Auffällig ist die Vielfalt der unterschiedlichen Herkunftsländer in Bohns Klasse. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus insgesamt sieben unterschiedlichen Ländern: unter anderem aus Kolumbien, China und Weißrussland. Konflikte gäbe es nur manchmal aufgrund der vielen unterschiedlichen Nationalitäten.
Bohn betont auch den besonderen Vorteil der Seiteneinsteigerklasse: „Die Schülerinnen und Schüler befinden sich zu Anfang ihres Schullebens in Deutschland bei uns in einer Art geschütztem Raum, in dem sie sich eher trauen, die deutsche Sprache anzuwenden und Fehler zu machen“. Schamgefühle kämen nur selten auf, da alle in der gleichen Situation seien, erklärt Bohn.
Nach insgesamt neun Monaten intensiver Sprachförderung werden die Schülerinnen und Schüler dann in den Regelunterricht an Düsseldorfer Schulen entlassen. „Nach den Zwischen- und Abschlussprüfungen stellen wir für die Schülerinnen und Schüler eine Empfehlung aus, welche Schule auf ihrem weiteren Weg geeignet erscheint“, erläutert Detlef Bohn genauer.
© privat
Reden ohne Scham
Khaled ist ein ehemaliger Schüler des Lessing Gymnasiums in Düsseldorf. Der Syrer floh vor fünf Jahren aus seinem Heimatland und besuchte zu Beginn eine Seiteneinsteigerklasse in Düsseldorf. Seinen ersten Tag in der deutschen Schule beschreibt er so: „Es war ein komisches Gefühl, aber später auch ein sehr schönes, weil ein buntes Umfeld um mich herum war.“ Seine schnellen sprachlichen Fortschritte hatten zur Folge, dass er bald in die gymnasiale Oberstufe wechseln konnte. Khaled schaffte sein Abitur und studiert inzwischen in Aachen an der Universität.
Wie war dein erster Tag in der deutschen Schule?
Nicht immer war sein Weg einfach. Die Angst, das Abitur aufgrund der Sprachbarriere nicht zu schaffen, habe ihn vor allem zu Beginn begleitet. Doch Khaled kämpfte sich durch die Schulzeit: „Reden, reden, reden war die Lösung und sich nicht zu schämen“, erklärt er seinen Erfolg.
Wichtiger Bezugspunkt für den jungen Mann war die Schule. Sie habe ihm vermittelt, wie er die deutsche Sprache, die deutsche Kultur und die Gesellschaft hier verstehen solle. Zudem habe er dort seine ersten deutschen Freunde kennen gelernt, zu denen er immer noch Kontakt hat.
Seine Zukunft sieht der Syrer in Deutschland. Ein abgeschlossenes Studium gehört zu seinen ambitionierten Wünschen; außerdem möchte er eine eigene Familie gründen.
Welche Bedeutung hat für dich die Schule?
Welche Wünsche und Zukunftspläne hast du?
Schulbildung als Basis für den beruflichen Erfolg
Auch Zozan ist vor knapp zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen. Für ihn hat die Schule ebenfalls eine zentrale Rolle bei seiner Integration gespielt. Eingeschult wurde er zunächst in eine Grundschule, in der er sich schnell zurechtfand: „Die Sprache konnte ich ein bisschen, weil die Kinder von meinem Onkel mir ein wenig Deutsch beigebracht haben“, beschreibt Zozan seine ersten Kontakte mit der bis dahin fremden Sprache. Anfangs habe ein Mitschüler, der aus seinem Heimatland kommt, viel für ihn übersetzt. So habe er sich schneller orientieren können, erklärt Zozan weiter.
Wie war dein erster Tag in der deutschen Schule?
Nach der Grundschulzeit und seinem Hauptschulabschluss macht Zozan inzwischen eine Ausbildung zum Friseur. Dazu besucht er zum einen die Berufsschule und arbeitet zum anderen in seinem
Ausbildungsbetrieb. Sein Ziel sei es, später einmal in einem Salon fest angestellt zu sein, weil ihm der Beruf viel Freude bereite. Der Schule ordnet Zozan bei diesem Vorhaben eine bedeutende Rolle zu: „Schule ist für mich besonders wichtig, denn ohne Schule würde man nichts erreichen“.
Welche Bedeutung hat für dich die Schule?
In die gleiche Klasse wie Zozan geht auch Ayten, die ursprünglich aus Bulgarien kommt. Vor vier Jahren führte sie ihr Weg nach Deutschland, wo sie zunächst 18 Monate in einer Integrationsklasse Deutsch lernte. „Am ersten Tag war ich sehr nervös. Am Anfang habe ich dann zur Begrüßung ˌich hasseˈ statt ˌich heißeˈ gesagt, weil ich nur sehr wenig Deutsch konnte“, schildert Ayten ihren ersten Tag. Insgesamt habe sie sich aber schnell wohlgefühlt.
Für die Zukunft wünscht sich Ayten ihre Ausbildung zu beenden, zusätzlich zum Friseurberuf noch eine Ausbildung zur Masseurin zu machen und vielleicht eines Tages einen eigenen Salon zu eröffnen, um „selbstständiger arbeiten zu können“, wie sie mit einem Lächeln betont.
Der Schulbesuch ist in Deutschland mehr als nur eine Pflicht. Insbesondere für Zugewanderte wird er als sehr wichtig für die eigene Entwicklung und die Integration empfunden. Die Integrationskonzepte an Schulen wie in Düsseldorf oder Kaarst unterstützen die Schülerinnen und Schüler dabei bestmöglich.