Unterrichten in Deutschland
Durch ihren Einsatz an unterschiedlichen Schulformen erhielten die Lehrerinnen vielfältige Einblicke in das deutsche Bildungssystem.
Heidi
Meistens komme ich eine Stunde vor Unterrichtsbeginn zur Schule und bereite meine Arbeit vor. Vieles, was Lehrkräfte tun, bekommen Eltern und Lernende gar nicht mit.
Eine Lehrkraft braucht ein enormes Wissen, nicht nur Fachwissen, sondern auch Wissen über Entwicklungspsychologie, Motivationskonzepte und vieles mehr. Manchmal muss man auch erziehen, beurteilen und Werte vermitteln.
Durch COVID-19 hat sich der Tagesablauf an den Schulen verändert. Alle Lernenden und Lehrenden müssen sich regelmäßig testen lassen. Alle Schülerinnen und Schüler sollten einen Drucker und einen Computer zu Hause haben. Das ist sehr wichtig geworden und gehört als Ausstattung zum Lehren und Lernen dazu.
Letzte Woche fand die Einschulungsfeier an unserer Schule statt. Es war sehr schön. Alle Kinder sind mit ihren Eltern gekommen. Die Schultüten waren größer als die Kinder selbst. Es war ein Traum und ich habe jede Minute genossen.
Für die Schülerinnen und Schüler ist es am Anfang nicht leicht, sich auf eine Sache zu konzentrieren, während hier und da etwas passiert, etwas herunterfällt, die Tür aufgeht oder manche tuscheln. Das ist eine Herausforderung für Kinder in der ersten Klasse. Die Lehrkraft muss daher sehr konsequent und gerecht mit der Klasse umgehen. Ständiges Wiederholen ist auch sehr wichtig. Die Kinder bekommen dadurch eine bessere Orientierung.
Nach einem Vierteljahr kennen sich alle schon viel besser aus. Sie wissen zum Beispiel, wie man sich richtig hinsetzt, meldet oder seine Sachen auf dem Platz ordnet.
Larissa
An meiner Schule unterrichte ich das Fach Deutsch, aber nicht nur als Zweit- oder Fremdsprache, sondern auch Deutsch und Kommunikation für Muttersprachler in unterschiedlichen Schulformen: in der Berufseinstiegsschule, in der Berufsfachschule und in der Fachoberschule.
Jeden Tag stoße ich auf neue Herausforderungen, sowohl aufgrund der Sprache als auch wegen der Themen, wie zum Beispiel Kommunikationsmodelle und Schaubildanalysen, mit denen ich in Brasilien noch nie gearbeitet habe. Diese Stunden fordern von mir viel mehr Vorbereitung und Lernen als sonst. Ich betrachte das aber eher positiv, denn ich kann täglich mein Sprach- und Weltwissen erweitern.
Eine Schulstunde dauert 45 Minuten, aber wir haben immer Doppelstunden, sodass wir mehr Zeit für die Bearbeitung des Stoffs haben. Die Lehrkräfte haben hier mehr pädagogische und methodische Freiheit als in Brasilien. Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind daran gewöhnt, den Stoff selbst zu erkunden, sich eine eigene Meinung zu bilden, Kritik zu äußern und sich gegenseitig Feedback zu geben.
Ich experimentiere hier sehr viel und versuche meine Stunden schüler- und handlungsorientiert zu gestalten. Es wird viel in Gruppen gearbeitet. Das Einzige, was ich hier vermisse, ist der Einsatz von digitalen Medien. Die Schüler dürfen das Wifi der Schule nicht benutzen und deswegen ist es nicht immer möglich, Online-Übungen, Spiele, Abfragen oder Recherchen mit dem Handy zu machen. Trotzdem gehe ich oft mit den Schülerinnen und Schülern in den Computerraum und kann im Klassenzimmer mit vielen Materialien arbeiten, die den Unterricht noch bunter und interessanter machen.
Uyanga
Die Schülerinnen und Schüler an unserem Gymnasium sind mehrheitlich Muttersprachlerinnen und Muttersprachler. Deswegen ist es für mich eine große Herausforderung, sie zu unterrichten. Hinzu kommt, dass die Einheimischen der Stadt Bamberg meist Fränkisch sprechen. Ein Dialekt, der sich aus meiner Sicht recht niedlich anhört.
Wenn ich im Unterricht hospitiere, setze ich mich nach hinten ins Klassenzimmer und beobachte die Schüleraktivitäten bzw. wie das Lernen und Lehren hier funktioniert.
Unterrichten ist im Grunde ein fein durchdachter Lernprozess, bei dem durch vielfältige Methoden und sprachliches Handeln Fachkenntnisse vermittelt werden. Für Schülerinnen und Schüler bedeutet dies, dass sie lernen, Fachtexte zu lesen und zu verstehen, Vorträge zu halten und Sachverhalte zusammenhängend und nachvollziehbar darzulegen.
Wenn ich selber vor der Klasse stehe, fühle ich mich wie eine „echte“ Lehrerin. Im Fach Deutsch steht die sogenannte Bildungssprache im Vordergrund. Ich mag es, wie die Lernenden meinen Erklärungen über die grammatikalische Richtigkeit, Vollständigkeit im Satzbau und Orthographie zuhören. Die Schülerinnen und Schüler überhäufen mich auch mit vielen Fragen, denn ich bin die Botschafterin einer ganz anderen Kultur. Das E.T.A-Hoffmann-Gymnasium ist anerkannte UNESCO-Projektschule und es gibt an der Schule für die Lernenden viele gute Angebote zum Interkulturellen Lernen.
Gentiana
Unterrichten ist für viele Lehrkräfte eine Leidenschaft. Durch die Pandemie hat sich der Lehreralltag jedoch sehr verändert. Technologie und digitale Medien werden nun ganz anders geschätzt. Im Lehrerzimmer, in Lehrerkonferenzen und in Fortbildungen wird viel über Digitales geredet: Internetzugang, WLAN, digitale Medien, digitale Kompetenzen, Online-Plattformen, Online-Seminare, digitale Lernplattformen, das digitale Klassenzimmer …
So schnell kann sich alles verändern. Neuerdings gibt es an meiner Schule auch ein digitales Klassenbuch. Wir hatten zur Vorbereitung viele Fortbildungsangebote. Die Themen, die fehlenden Stunden und auch die Noten werden online eingetragen. In Sachsen gibt es die digitale Lernplattform LernSax und jede Schule kann diese Kommunikations- und E-Learning-Plattform nutzen. Alle Informationen der Schule laufen über diese Plattform.
Was ich von meiner Schule in Deutschland gelernt habe, ist, dass die nachhaltige Digitalisierung ein wichtiges Ziel für die Schulentwicklung ist.
In meiner Schule gibt es eine Digitalisierungs-AG, einen Technikraum und es werden Techniksprechstunden angeboten. Die digitalen Geräte für die Schülerinnen und Schüler werden von der Schule angeboten. Wir sind von Technik und Technologien umgegeben. Als Lehrkräfte müssen wir damit umgehen können. Die Schule sei in einem Prozess der ständigen Entwicklung, erklärte die Schulleiterin in der Dienstbesprechung.
Eine Lehrkraft ohne Computer und digitale Kompetenzen – das ist heute so wie früher eine Lehrkraft ohne Tafel und Kreide. Die Digitalisierung ist jedoch für uns alle eine große Herausforderung.
Natia
In meiner Schule bin ich als Stipendiatin eingesetzt, das heißt, dass ich verschiedene Klassenstufen verschiedener Fächer besuche, überwiegend geisteswissenschaftliche Disziplinen, wie zum Beispiel Deutsch, Kunst, Praktische Philosophie oder Religion.
Manchmal übernehme ich einzelne Abschnitte des Unterrichts oder ziehe bei bestimmten Themen Parallelen zu meinem Heimatland. Durch all das werde ich auch in das Unterrichtgeschehen mit einbezogen. In einigen Klassen habe ich sogar ein eigenes Projekt „Rico, Oskar und die Tieferschatten – Filmanalyse und Vergleich mit dem Buch“ durchgeführt.
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten aktiv und kreativ im Unterricht mit, machen eigene Vorschläge, probieren sich aus und bringen ihre Ideen in den Unterricht ein. Sie zeigen auch ein unheimlich großes Interesse für politische Themen und äußern ihre eigenen Standpunkte.
Die Gruppen sind heterogen, starke und schwache Lernende arbeiten zusammen und versuchen gemeinsam das Ziel zu erreichen. Manchmal werden auch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen mit Förderstunden und extra bereitgestellten Materialien mit einbezogen.
Ein wichtiger Punkt unserer Ganztagsschule sind die vielfältigen Arbeitsgemeinschaften. Besonders beliebt ist die Koch-AG. Die Schülerinnen und Schüler werden in kleine Gruppen eingeteilt und kochen ein Rezept nach, das am Anfang vorgelesen und besprochen wird. Die Rezepte sind unterschiedlich, jeweils aus verschiedenen Ländern. Das macht den Lernenden ausgesprochen Spaß. Auch ich bin dabei und kann den Schülerinnen und Schülern Rezepte aus meinem Land zeigen.