Mit der Studienbrücke zum MINT-Studium in Deutschland
Die Studienbrücke des Goethe-Instituts bereitet Studieninteressierte mit Deutschkenntnissen und sehr guten Leistungen in den Naturwissenschaften auf ein Studium in Deutschland vor. My Duyen aus Vietnam und Agustín aus Argentinien berichten von ihren Erfahrungen mit dem Programm.
My Duyen, 20 Jahre, Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
My Duyen studiert im dritten Semester Chemie an der Technischen Universität (TU) Dortmund. 2022 wird sie das Studium mit dem Bachelor abschließen. Dann möchte sie eine Zeit lang als Werkstudentin arbeiten und schließlich noch ein Masterstudium in Wirtschaftschemie anhängen.
PASCH-Schule mit MINT-Schwerpunkt
In der Schule zählten Mathematik und Chemie zu ihren Lieblingsfächern. Sie besuchte die Nang Khieu Oberschule, eine vom Goethe-Institut betreute Schule aus dem PASCH-Netzwerk in Ho-Chi-Minh-Stadt. Um auf die PASCH-Schule mit MINT-Schwerpunkt gehen zu können, zog sie bereits mit 15 Jahren von zu Hause aus und verließ ihre Heimatstadt im Süden von Vietnam. „MINT“ steht für die Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
In der zehnten Klasse wählte sie Deutsch als zweite Fremdsprache. „Ich mochte die Sprache sofort.“ Dank ihrer sehr guten Leistungen reiste sie 2017 zum ersten Mal nach Deutschland zu einem dreiwöchigen PASCH-Jugendkurs des Goethe-Instituts in St. Peter-Ording. Seither begleitete My Duyen der Wunsch, in Deutschland zu studieren.
Eines Tages, kurz vor dem Schulabschluss, brachte ihre Freundin einen Flyer der Studienbrücke mit. Es war das erste Jahr, in dem das Programm in Vietnam angeboten wurde. „Ich dachte mir“, erzählt My Duyen, „das passt ja super! So kann ich mich schon in Vietnam auf das Studium vorbereiten und spare Zeit und Geld.“ My Duyen und ihre Freundin bewarben sich und wurden angenommen.
Vorbereitung auf das Studium
Wieder ging es für My Duyen ein Stück weiter weg von der Familie, nach Hanoi ans Goethe-Institut, wo die Studienvorbereitung der Studienbrücke 2018/2019 im Präsenzformat stattfand. Insgesamt nahmen 13 Personen daran teil.
In zehn Monaten galt es vom Sprachniveau A2 auf das Sprachniveau C1 zu kommen. Von Montag bis Freitag hatten sie vormittags Deutschunterricht. Am Nachmittag standen Module der Studienvorbereitung auf dem Programm. Sie lernten die Aufgabenstellungen des Sprachtests TestDaF und des Studierfähigkeitstests TestAS kennen und simulierten Prüfungssituationen. „Neben Mathematik mussten wir ein zweites MINT-Fach wählen und uns fachsprachlich auf das Studium vorbereiten. Ich habe mich für Chemie entschieden.“
Die Vorbereitung auf das Studium beschränkte sich nicht nur auf fachliche Kompetenzen. In interkulturellen Trainings sprachen die Teilnehmenden darüber, welche kulturellen Unterschiede für vietnamesische Studierende besondere Herausforderungen darstellen und gemeinsam überlegten sie, wie man am besten damit umgehe. „Außerdem gab es Gesprächsrunden mit Studierenden aus Deutschland. Wir haben uns über das Studierendenleben in Deutschland, die Integration sowie allgemeine Probleme rund um das Studium ausgetauscht und konnten Fragen stellen.“
Gemeinschaftliche Aktivitäten und Austausch
Auch von Mitarbeitenden des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) erfuhren die Teilnehmenden viel über den Studienalltag in Deutschland. Außerdem stellten sich die Partneruniversitäten vor.„Es gab viel zu tun, aber der Lehrplan war sehr gut. Ich hatte irgendwie gar nicht das Gefühl, dass ich lerne. Es gab keinen Stress und alle waren immer sehr freundlich.“
Besonders gern erinnert sich My Duyen an die Aktivitäten außerhalb des Unterrichts. „An Weihnachten haben wir gemeinsam Kuchen gebacken und verkauft, um bedürftigen Kindern zu helfen. Auch der Austausch mit den Praktikantinnen und Praktikanten am Goethe-Institut war toll. Wir sind bis heute befreundet.“
Dann war es schließlich so weit. Alle Prüfungen waren bestanden und die Fachmodule erfolgreich abgeschlossen. „Bei der Bewerbung kann man zwei Wunschunis angeben. Ich habe schließlich die TU Dortmund gewählt, da sie viele praktische Lehrveranstaltungen im Labor anbietet und eine gute Infrastruktur hat. Meine Freundin ist nach Bochum gegangen und studiert dort Chemie. Wir haben uns ganz bewusst für zwei unterschiedliche Unis entschieden, um uns dann darüber austauschen zu können.“
Gegenseitige Unterstützung beim Studienstart
Das Netzwerk der Studienbrücke war für My Duyen beim Studienbeginn dennoch sehr wichtig. „Wir sind zusammen in Deutschland angekommen, haben ähnliche Erfahrungen gemacht und konnten uns gegenseitig unterstützen, zum Beispiel wenn es darum ging, das Visum zu verlängern.“ Wie für alle Studierenden brachte die Coronapandemie für sie viele Einschränkungen mit sich, auch ihre Familie hat My Duyen lange nicht gesehen.
Doch einsam fühlt sie sich nicht. Mittlerweile kennt die PASCH-Alumna auch viele Studierende aus ihrem Studiengang und ihrem Wohnheim. Gemeinsam kochen sie gerne traditionelle Gerichte aus den jeweiligen Ländern. Und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist sie in 15 Minuten bei ihrer Freundin in Bochum. Sie und andere Alumni der Studienbrücke, auch die damaligen Praktikantinnen und Praktikanten, treffen sich regelmäßig, wenn Corona es zulässt.
Neben dem Studium arbeitet sie sieben Stunden die Woche als Übungsgruppenleiterin der Fachschaft Chemie und hilft Studierenden aus unteren Semestern beim Lösen der Übungsblätter. Außerdem engagiert sie sich beim PASCH-Mentoring-Programm. Das Jahr 2020 hielt für My Duyen dann auch eine sehr gute Nachricht bereit. Seit dem dritten Semester erhält sie das sogenannte Deutschlandstipendium. Es wird an Studierende vergeben, die sich auf ihrem Bildungsweg durch besondere persönliche Leistungen und soziales Engagement auszeichnen.
Agustín, 18 Jahre, Buenos Aires, Argentinien
Agustín aus Argentinien ist 18 Jahre alt. 2020 hat er seinen Abschluss an der PASCH-Schule Colegio Mater Ter Admirabilis gemacht. Bereits mit neun Jahren fing er an, in der Schule Deutsch zu lernen. Deutsch gehörte zu seinen Lieblingsfächern sowie Englisch, Mathematik und Physik. Als er in der Abschlussklasse war, kamen Mitarbeitende des Goethe-Instituts in die Schule und stellten die Studienbrücke vor. „Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, in Deutschland zu studieren, und interessiere mich für Maschinenbau. Das war die perfekte Lösung.“ Sonst habe sich niemand aus seiner Klasse beworben. „Ich glaube“, Agustín schmunzelt, „einige meiner Klassenkameraden ärgern sich heute etwas darüber.“ Seit der Aufnahme ins Programm bis zur Bewerbung an einer deutschen Uni, stehen Agustín und seine Familie in engem Kontakt mit Sofía Stubrin, Projektassistentin des Goethe-Instituts und Ansprechpartnerin für die Studienbrücke in Südamerika.
„Die MINT-Module sind das Schwierigste, aber auch das Schönste.“
Agustín ist auf der Zielgeraden. Seit einem guten Jahr besucht er mit 19 anderen Schulabsolventinnen und -absolventen aus ganz Südamerika die Studienbrücke. Der Deutschkurs ist online und alle anderen Module auch. Pro Tag benötigt er neben dem Sprachkurs ungefähr zwei Stunden für das Bearbeiten der Aufgaben. Als zweites MINT-Modul hat er Technik/Ingenieurwesen gewählt. „Wir erhalten Wochenpläne“, erklärt er, „und können uns den Stoff dann selbst einteilen.“ Zu Beginn musste er häufig zum Wörterbuch greifen. „Ich habe mir mit der Zeit viel Wortschatz aus den Bereichen Technik, Physik, Maschinenbau und Elektrizität erarbeitet.“ Wenn die Teilnehmenden Fragen haben oder nicht weiter wissen, können sie sich an Fachbetreuerinnen und Fachbetreuer wenden. Meistens sind das ehemalige Studienbrückler, die bereits in Deutschland studieren. Außerdem werden die Teilnehmenden bei allen Modulen eng von ausgebildeten Tutorinnen und Tutoren betreut und unterstützt. „Die MINT-Module auf Deutsch sind das Schwierigste“, findet Agustín, „aber auch das Schönste.“
In den Infoveranstaltungen des Goethe-Instituts, des DAAD und der deutschen Partneruniversitäten habe er viel über die deutsche Kultur, das Studierendenleben und die Studienmöglichkeiten in Deutschland erfahren.
Wenn alles gut läuft – den TestDaF hat Agustín bereits bestanden, auf das TestAS-Ergebnis wartet er noch – kann er sich im Mai an den Partneruniversitäten der Studienbrücke bewerben und im Oktober das Studium beginnen. „Meine Familie hat das Vorhaben vom ersten Tag an unterstützt.“ Sie werde ihm fehlen. Aber natürlich will er die Chance nutzen und freut sich darauf. „Ich habe hart dafür gearbeitet. Deutschland ist für den Bereich Ingenieurwesen sehr bekannt, ich möchte viele Leute kennenlernen, Spaß haben und nach dem Studium einen guten Job finden!“