Tätowierungen und Piercings gibt es schon lange. Der älteste Beweis ist etwa 7.000 Jahre alt und wurde bei einer tätowierten Mumie gefunden.
Im europäischen Mittelalter waren christliche Tätowierungen verbreitet. Sie sollten in einigen Ländern den Übertritt zum Islam verhindern. Das Wort „Tätowierung“ kommt aus der tahitianischen Sprache. Es bedeutet „eine Zeichnung auf der Haut“. Heute ist dieser Körperschmuck mehr ein Symbol für Schönheit und Selbstdarstellung.
Tätowierungen und Piercings haben einen rituellen Zweck. Er besteht darin, dass man sich von anderen Menschen und Gruppen abgrenzen möchte. Ein Piercing kann auch wichtige Lebensphasen markieren, zum Beispiel die Geburt des ersten Kindes oder das erste gejagte Tier. In Indien tragen viele Frauen ein Piercing in der Nase zusammen mit mehreren Ohrringen. In den 1960er-Jahren trugen Hippies Ohr- und Nasenringe, häufig nach einer Reise durch Indien. In der westlichen Welt waren Ohrringe bis Anfang der 1970er-Jahre nur bei Frauen oder Zimmerleuten akzeptiert. Heute ist in Deutschland rund jeder Fünfte im Alter von 14 bis 24 Jahren gepierct, tätowiert oder beides.
Symbolische Bedeutung
Tätowierungen und Piercings können sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Sie sind häufig ein Zeichen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder ein rituelles Symbol. Bestimmte soziale Gruppen (beispielsweise Punks) drücken mit Tattoos und Piercings ihren Protest gegenüber der Gesellschaft aus. Früher wurden unter Häftlingen Tätowierungen früher als Merkmal der begangenen Straftaten genutzt. Matrosen und Seeleute trugen Symbole wie Anker, Herzen oder Sterne, um ihre Zugehörigkeit zu zeigen. In der heutigen Zeit dient der Körperschmuck eher dazu, sich selbst und seine Exklusivität darzustellen und um sich schön zu fühlen.
Mode, Schmuck und Prominenz
Seit den 1990er Jahren gehören Tätowierungen und Piercings zur Jugendkultur. Spätestens seit dem Jahr 2000 sind sie auch fester Bestandteil der Erwachsenenkultur. Berühmte Persönlichkeiten aus Musik, Film und Sport tragen zu dieser Beliebtheit bei. Der deutsche Handballer Stefan Kretzschmar beispielsweise trägt ein Nasenpiercing und mehrere Tätowierungen. Eine Tätowierung ist seiner Tochter gewidmet.
Weiter im Trend
Körpermodifikationen wie Tätowierungen und Piercings bleiben in Deutschland weiter im Trend. Junge Menschen tragen deutlich häufiger diese Formen von Körperschmuck. Männer lassen sich häufiger tätowieren und Frauen tragen häufiger Piercings. Umfragen zufolge ist heute jede/r fünfte Deutsche/r tätowiert, bei den 20 bis 29-Jährigen besitzt fast jede/r Zweite eine Tätowierung. Rund ein Drittel der Frauen zwischen 14 und 34 Jahren ist gepierct, bei den Männern sind es rund 15 Prozent. Beliebte Stellen für ein Piercing sind der Bauch, die Nase und das Ohr.
Den Körper verzieren – ein Experte im Interview
Dirk Hofmeister ist Diplom-Psychologe an der Universität Leipzig. Er beschäftigt sich mit dem Thema Körpermodifikationen. Das sind Veränderungen, die ein Mensch an seinem Körper vornimmt, wie zum Beispiel Tätowierungen und Piercings. Wir haben dem Wissenschaftler dazu ein paar Fragen gestellt.
Jugendliche möchten sich von den Erwachsenen abgrenzen und markieren, dass sie erwachsen sind. Wenn man heute tätowiert nach Hause kommt, ist das längst nicht mehr so schlimm, wie vor 20 oder 30 Jahren. Aber ein Jugendlicher bis 18 Jahre ist noch im Entwicklungsprozess. Eine Tätowierung muss gut überlegt sein. Es gibt viele Gründe, warum Menschen sich ein Tattoo oder Piercing machen lassen. Ein Tattoo oder ein Piercing ist „schick“ oder „angesagt“. Oder der Träger möchte seine Individualität zum Ausdruck bringen. Ab 20 Jahren möchten Tätowierte mit ihrem Motiv häufig wichtige Phasen in ihrem Leben markieren. Mit einem Symbol, einem Namen oder einem Datum zum Beispiel. Ein weiterer Aspekt ist, dass man sich mit einer Tätowierung zu einer Gruppe zugehörig zeigen möchte, wie die Punks zum Beispiel.
Warum möchten Menschen Tattoos haben?Welche Bildmotive sind bei Tattoos besonders beliebt?
Heutzutage gibt es kein einheitliches beliebtes Motiv mehr. Es ist es eher so, dass die Motive selbst ausgedacht sind. Es werden immer mehr größere Motive gestochen. Die Tätowierungen sind bunter und damit auch
auffälliger. Außerdem werden Tattoos auf Unterarmen, Händen und Hals immer beliebter. Vor zehn Jahren waren das noch
Ausnahmen, weil es deutlich sichtbar ist.
Gibt es medizinische Risiken?
Bei 96 Prozent der frisch Tätowierten gibt es
Hautirritationen. Meistens
heilen diese nach ein oder zwei Wochen ab. Bei sechs bis zehn Prozent können
längerfristige Problemen auftreten. Zum Beispiel eine eitrige Wunde oder eine Allergie gegen die Farben. Es sollte zunächst ein Probestich gemacht werden, um nach einer Woche erst das richtige Tattoo zu stechen. Seit 2009 gibt es in Deutschland eine neue Richtlinie für Tätowierungen, die gefährliche Farben verbietet. Dennoch werden immer wieder in einigen Farben
Schwermetalle, Eisenoxide oder auch Aluminium gefunden. Piercings haben den Vorteil, dass man sie
entfernen kann, wenn sie sich entzünden.
Tattoos – ja oder nein?
Manche Menschen lieben Tätowierungen, andere würden sich niemals eine stechen lassen. Wir haben die Leipziger Studenten Brigitte und Philipp zu ihren Gründen gefragt, warum sie ein Tattoo tragen und warum nicht.
Kein Tattoo für die Ewigkeit
Ich habe kein Tattoo, weil ein Tattoo
für die Ewigkeit ist oder so lange hält, bis man es entfernen lässt. Ich denke, dass man sich noch verändert. Darum möchte ich nicht etwas machen,
von dem ich nicht weiß, ob ich in Zukunft davon auch noch
überzeugt bin. Im Laufe des Lebens verändert sich auch die Haut. Wenn man zum Beispiel
schwanger wird, dehnt sie sich aus. Wenn man alt wird, bekommt die Haut Falten. Wenn ich dann ein Tattoo habe, sieht es vielleicht nicht mehr so schön aus.
Brigitte, 20 Jahre
Sinnbild für einen Abschnitt meines Lebens
Ich habe eine Tätowierung, weil es ein
Sinnbild für einen bestimmten Abschnitt meines Lebens darstellt. Dadurch ist es auch ein Ausdruck für meine Persönlichkeit. Viele fragen immer: „
Bereust du es nicht, dass du dir das gestochen hast?“ Und ich frage dann immer: „Wieso sollte ich das bereuen, wenn es doch für einen bestimmten Teil meines Lebens steht?“ Es braucht mir nicht
peinlich sein. Ich muss auch nicht erwägen, es entfernen zu lassen. Es gehört einfach zu mir.
Philipp, 20 Jahre