Emilys Großeltern und Eltern sprechen viel über die Wiedervereinigung und die Zeit davor.
Emily, ist die Wiedervereinigung und die Zeit davor ein Thema in deiner Familie?
Ja, klar. Meine Großeltern sprechen viel über diese Zeit und meine Eltern auch. Sie sind in der DDR groß geworden und erzählen oft, wie es in der DDR, in der
Wendezeit und nach der Wiedervereinigung war. Im vereinten Deutschland war für sie alles neu, sie hatten so viele neue
Eindrücke. Ich finde das alles sehr interessant. Wir behandeln diese Themen auch in der Schule und dann ist es schön, wenn ich von meiner Familie zusätzlich die Geschichten von früher höre.
Wann erzählen sie solche Geschichten?
Oft an Weihnachten, wenn wir mit der größeren Familie zusammen sitzen. Oder an Wochenenden mit meinen Eltern. Wenn ich erzähle, was bei mir so passiert, dann erzählen sie oft, wie es in ihrer Jugend war. Da merke ich immer, wie unterschiedlich wir groß geworden sind.
Was sind denn zum Beispiel solche Geschichten?
Meine Mutter erzählt oft von der Wendezeit. Da war sie mit meiner Schwester schwanger und hat einen Kinderwagen gebraucht. Sie war damals dann sehr froh, dass die Grenzen offen waren, und sie sich im Westen einen schönen Kinderwagen kaufen konnte.
Meine Großeltern erzählen viel von ihrer Arbeit in der DDR. Meine Oma hat im Lebensmittelgeschäft Konsum gearbeitet und mein Opa in der Industrie. Er sagt immer, dass er sehr, sehr viel gearbeitet hat. Er ist sehr früh zur Arbeit gegangen und erst gegen 20 Uhr nach Hause gekommen. Meine Oma erzählt, dass sie damals fast alle Kunden kannte und dass man sich viel mehr mit den Leuten unterhalten hat. Nicht so wie heute, sagt sie, wo einige Leute nicht einmal mehr „Hallo“ sagen.
Welche Bedeutung hat das Thema sonst in deinem Leben?
Es ist schon relevant für mich. Ich finde, dass es die
Teilung in Ost und West auch nach 30 Jahren immer noch irgendwie gibt. Die Mauer ist
zwar weg, aber im Denken ist sie immer noch da. Viele Deutsche haben immer noch
Vorurteile. Ich höre oft: „Ja, du bist eben aus dem Osten.“ Mich stört es nicht so sehr, aber andere werden richtig sauer. Ich glaube, dass es noch sehr lange dauern wird, bis das aus den Köpfen raus ist. Für mich ist dieses Thema auch wichtig, weil ich mich nach dem Abitur
entscheiden muss: Gehe ich vielleicht in den Westen, weil ich dort beruflich bessere Chancen habe, oder bleibe ich hier?