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Schule und Ausbildung

„Mehr als nur ein Ort zum Lernen“

Multiculturalism | Jonas Kako / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz (by-nc)
Jonas Kako / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz (by-nc)

Das deutsche Schulsystem bringt je nach Schulform und Bundesland ganz verschiedene Konzepte hervor. Sechs Schülerinnen und Schüler sprechen über die Stärken und Schwächen ihrer Schule.

Über das richtige Schulsystem streiten die Deutschen seit vielen Jahren – und kommen dabei in den einzelnen Bundesländern zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ganz- oder Halbtagsschule? Sollen die Grundschul-Kinder statt wie bisher in den meisten Bundesländern vier, lieber sechs oder vielleicht sogar acht Jahre gemeinsam lernen? Soll man auf dem Gymnasium nach insgesamt zwölf oder erst nach 13 Jahren Abitur machen? Soll die Haupt- mit der Realschule zusammengelegt oder ganz abgeschafft werden? Oder sollte man alle weiterführenden Schulen zur Gesamtschule zusammenfassen, auf der man je nach Leistungsstärke unterschiedliche Abschlüsse machen kann?

Auf fast alle diese Fragen gibt es in den verschiedenen Bundesländern alle möglichen Antworten und Modelle. Von „dem“ deutschen Schulsystem zu sprechen, wird deshalb immer schwieriger. Kinder und Jugendliche haben allerdings ihre eigene Sicht auf den Ort, an dem sie die meiste Zeit ihres täglichen Lebens verbringen müssen. Hier kommen sechs von ihnen zu Wort.

Jonas Möller, 8 Jahre, Grundschule Hillesheim in Rheinland-Pfalz

© picture alliance / JOKER, Ralf Gerard

An der Grundschule gefallen mir am meisten die Arbeitsgemeinschaften (AGs) – Sport, Schwimmen, „Schulreporter“ – und die Projekte. Meine Lieblings-AG ist „Schulreporter“, weil wir da lernen, wie eine Kamera funktioniert, zum Beispiel Nahaufnahmen und Gesichtsaufnahmen. Mir gefällt auch, dass Christian Linden, unser Konrektor, uns nach dem Mittagessen immer vorliest. Wir hören Arabesk oder Es muss auch kleine Riesen geben. Ich finde das gut, weil man sich dabei beruhigen und entspannen kann.

Was mir an meiner Schule nicht gefällt, sind die vielen Streitereien und Prügeleien. Schade finde ich auch, dass ab dem dritten Schuljahr die Mittagspause nur sehr kurz ist und man sich nicht mehr so gut ausruhen kann. Nach der Grundschule will ich auf die Realschule gehen – und später Polizist werden, weil die viele spannende Aufgaben haben und immer Sport treiben. Dazu brauche ich einen sehr guten Abschluss.

Leonard Günther, 13 Jahre, Elisabeth-Selbert-Gesamtschule in Bonn-Bad Godesberg

© picture-alliance / dpa, Patrick Seeger

Jeder bekommt die gleiche Chance an der Gesamtschule zu lernen, sofern er oder sie auch lernen will. Das System der Ganztagsschule hat aus meiner Sicht keine Nachteile. Dadurch lernt man mehr in der Schule anstatt zuhause. Außerdem fallen schriftliche Hausaufgaben an den drei langen Tagen in der Woche weg. Eine große Stärke ist das umfangreiche Sortiment von Arbeitsgemeinschaften und anderen Freizeitgestaltungen. Ein gutes Beispiel ist unsere Schulband Brass Rock, die in Bonn sehr bekannt ist. Schlecht an meiner Schule sind das überfüllte Schüler-Café und die Mensa. In der Mittagspause stehen sehr viele Schüler vor der Mensa an. Viele bringen deshalb ihr eigenes Essen mit.

Malin Steinbach und Alexander Källner, beide 14 Jahre, Stadtteilschule Poppenbüttel in Hamburg

© picture alliance / dpa Themendienst, Monique Wüstenhagen

Malin Steinbach: An der Stadtteilschule schätze ich die Berufsorientierung. Einmal im Jahr wird der Berufsinformationstag veranstaltet, der in der großen Pausenhalle stattfindet. Hier präsentieren Firmen ihr Tätigkeitsfeld, geben Tipps für Bewerbungen und bieten manchmal auch Praktikumsplätze an. Manchmal stellen auch Eltern ihre Berufe vor. Außerdem besuchen wir mehrmals Berufsmessen, waren in der Arbeitsagentur und bekamen Besuch von einer Berufsberaterin. Hilfe bei Bewerbungen um Praktikums- und Ausbildungsplätze erhalten wir von unseren Lehrern und, wenn wir wollen, von unseren „Job-Paten“. An unserer Schule machen wir zwei Praktika und vorher nehmen wir am Girls’ Day oder am Boys’ Day teil. Im Unterrichtsfach Arbeitslehre setzen wir uns häufig mit unseren Stärken und Schwächen auseinander und erstellen unser Profil durch Selbst- und Fremdeinschätzungen.

Des Weiteren gab es ein halbjähriges Knigge-Projekt, in dem man richtiges Benehmen und Verhalten trainierte. Eine Styling-Beraterin gab uns Hinweise, wie wir beim Bewerbungsgespräch aussehen und auftreten sollten. Auch das mehrtägige Kompetenztraining und der Besuch bei der „Mädchenwirtschaft“ unterstützten uns bei unseren Überlegungen zur Berufswahl. Das „ soziale Lernen“ ist ein Schwerpunkt an unserer Schule und hat in meiner Klasse zu einer guten Gemeinschaft geführt. Dafür mussten wir auch an uns arbeiten, was uns nicht nur in der Schule hilft. Ab Ende der 8. Klasse bekommen wir halbjährlich eine Prognose für den zu erreichenden Schulabschluss. Insgesamt finde ich eine große Unterstützung für meine Zukunft und Berufswahl.

Alexander Källner: Für mich ist der Berufsinformationstag wichtig, der einmal im Jahr stattfindet. Dann stellen sich mehrere Betriebe oder die Polizei vor, damit die Schüler Ideen bekommen, was sie vielleicht später werden wollen oder in welcher Branche sie ein Praktikum machen könnten. Ich finde es gut, dass dabei auch die verschiedenen Abschlüsse der Kinder beachtet werden. Allerdings fände ich es noch besser, wenn Eltern ihren Beruf etwas detaillierter vorstellen könnten, damit die Schüler auch etwas von dem „wahren“ Berufsalltag erfahren. Außerdem könnte dadurch die Spannweite der verschiedenen Berufe, die vorgestellt werden, viel größer werden.

Lena Katczinski, 16 Jahre, Geschwister-Scholl-Realschule in Gütersloh

Die Realschule ist für mich mehr als nur ein Ort zum Lernen – sie ist ein Zuhause. Hier fühle ich mich wohl. Und dieses Gefühl kommt aber nicht nur von den Lehrern, sondern auch von der Art, wie wir hier lernen. Unsere Lehrer kümmern sich um eine individuelle Förderung für jeden an unserer Schule und nehmen jeden so, wie er ist. Das Besondere an dem Zusammenleben in unserer Schule ist, wie sich die Schüler auch gegenseitig helfen. Das lernen wir schon ab Beginn der 5. Klasse – uns gegenseitig aufzubauen.

Worauf unsere Schule jedoch besonders großen Wert legt, ist die Berufswahlvorbereitung. In Zusammenarbeit mit mehreren Firmen, der Agentur für Arbeit, aber auch den Eltern bekommen wir regelmäßige Einblicke in verschiedene Berufe. Dazu gehören persönliche Gespräche. Unsere Lehrer kümmern sich nicht nur in der Zeit, in der wir die Schule besuchen, um uns, sondern wollen sichergehen, dass wir auch danach in guten Händen sind. Sicher gibt es an unserer Schule Schwächen. Doch die Stärken überwiegen.

Rebekka Deuse, 19 Jahre, Gymnasium Essen-Werden

© picture-alliance / dpa, Angelika Warmuth

Das Besondere am Gymnasium ist die große Vielfalt des Angebots. Durch die Förderung der unterschiedlichsten Bereiche werden die Schüler motiviert, ihren Interessen zu folgen und mitunter ungewöhnliche Wege zu gehen. Die Tanzabteilung hat ein eigenes Haus, ein angeschlossenes Tanzinternat und die Möglichkeit, Tanz als Abiturfach zu wählen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Zugang zur Musik. Sport und Kunst werden ebenso gefördert wie die Bereiche der vielen Arbeitsgemeinschaften, die individuelle Interessen fördern. Die offene Atmosphäre und die Lage meiner Schule direkt zwischen dem Ufer der Ruhr und der Werdener Altstadt gefallen mir sehr gut. Allerdings wünsche ich mir noch ein wenig mehr Vielfalt, da viele meiner Mitschüler sich nicht sehr stark in ihrem sozialen Hintergrund und ihrer Herkunft unterscheiden. Meine Ausbildung an der Schule möchte ich nutzen, um nach einem freiwilligen sozialen Jahr im Ausland zu studieren.

die Ganztagsschule, die Ganztagsschulen: eine Schule, an der vormittags und nachmittags Unterricht stattfindet und es auch Mittagessen gibt.
die Halbtagsschule, die Halbtagsschulen: eine Schule, an der nur vormittags Unterricht stattfindet.
die Grundschule, die Grundschulen: die Schule, die alle Kinder von Klasse 1 bis 4 besuchen müssen (in Berlin und Brandenburg geht die Grundschule bis Klasse 6)
 
das Gymnasium, die Gymnasien: eine der drei Schularten nach der Grundschule, von Klasse 5 bis 12 oder 13; Das Gymnasium vermittelt die höchste Bildung und wird mit dem Abitur abgeschlossen. Die Jugendlichen können dann die Universität besuchen. Früher dauerte das Gymnasium neun Jahre, also bis Klasse 13, in der DDR bis Klasse 12. Vor einigen Jahren wurde die Zeit auf acht Jahre verkürzt. Die neue, verkürzte Zeit war von Anfang an umstritten. Viele Schulen sind mittlerweile zu neun Jahren zurückgekehrt.
die Hauptschule, die Hauptschulen: eine der drei Schularten nach der Grundschule; Die Hauptschule dauert von Klasse 5 bis 9 oder 10 und soll die Schüler auf einen Beruf vorbereiten. Sie wird mit dem Hauptschulabschluss beendet. Der ist schon nach Klasse 9 möglich. Danach können die Jugendlichen eine Ausbildung machen.
die Realschule, die Realschulen: eine der drei Schularten nach der Grundschule, von Klasse 5 bis 10; Sie vermittelt eine breitere Allgemeinbildung als die Hauptschule und wird mit der Mittleren Reife, dem Realschulabschluss, abgeschlossen. Danach können die Jugendlichen eine Ausbildung machen, eine Fachoberschule besuchen oder auf das Gymnasium wechseln.
abschaffen: auflösen, aufgeben
die weiterführende Schule: die drei Schularten nach der Grundschule, also Hauptschule, Realschule, Gymnasium
die Gesamtschule, die Gesamtschulen: Kinder und Jugendliche lernen von Klasse 5 bis 10 zusammen in einer Schule, also in einem Gebäude; Sie werden nicht nach Haupt- oder Realschulen getrennt. Sie machen aber trotzdem einen Haupt- oder Realschulabschluss. Die Gesamtschulen sind in den Bundesländern unterschiedlich gestaltet. In manchen können die Schüler auch in einer gymnasialen Oberstufe das Abitur machen.
die Arbeitsgemeinschaft, die Arbeitsgemeinschaften: hier: Gruppen, die sich außerhalb des Unterrichts zu festen Zeiten treffen und sich mit einem Thema beschäftigen, zum Beispiel Sport, Musik, Literatur
der Konrektor, die Konrektoren: der stellvertretende Leiter einer Schule
Arabesk: eine Geschichte für Kinder über das Mädchen Ella und ihr Pferd Arabesk
Es muss auch kleine Riesen geben: eine Geschichte für Kinder über den Riesen Langhans, der für einen Riesen viel zu klein ist.
die Prügelei, die Prügeleien: die Schlägerei, ein heftiger Streit mit Schlägen
anstatt: anstelle von; hier: Man lernt in der Schule und nicht zu Hause.
das Sortiment, die Sortimente: das Angebot, die Auswahl
die Stadtteilschule, die Stadtteilschulen: eine Schule nach der Grundschule, die der Stadtstaat Hamburg 2010 eingeführt hat. In der Stadtteilschule können die Schülerinnen und Schüler neben dem Abitur auch den Haupt- oder Realschulabschluss machen. Haupt- und Realschule wurden abgeschafft.
die Berufsorientierung: die Hilfe bei der Suche nach dem richtigen Beruf
der Berufsinformationstag, die Berufsinformationstage: ein Tag, an dem Lehrer, Eltern und Betriebe an der Schule verschiedene Berufe vorstellen und Fragen beantworten.
der Praktikumsplatz, die Praktikumsplätze: hier: Die Schüler arbeiten zwei bis vier Wochen in einem Betrieb und sammeln praktische Erfahrungen. In der Regel ist das Praktikum in der Schulzeit für die Jugendlichen der erste Einblick ins Berufsleben.
die Arbeitsagentur, die Arbeitsagenturen: offiziell: Bundesagentur für Arbeit; die Behörde, die Arbeitsstellen vermittelt und Arbeitslosengeld zahlt.
die Berufsberaterin, die Berufsberaterinnen: eine Frau, die die Schüler berät, welche Berufe sie mit ihren Fähigkeiten und Interessen lernen können.

 
der Praktikumsplatz, die Praktikumsplätze: hier: Die Schüler arbeiten zwei bis vier Wochen in einem Betrieb und sammeln praktische Erfahrungen. In der Regel ist das Praktikum in der Schulzeit für die Jugendlichen der erste Einblick ins Berufsleben.
der Ausbildungsplatz, die Ausbildungsplätze: in einem Betrieb oder in einer Firma einen Beruf lernen; In Deutschland besteht eine Ausbildung aus zwei Teilen: die praktische Arbeit im Betrieb und der Besuch einer Berufsschule.
der Girls’ Day: ein jährlicher Informationstag für Mädchen; Die Mädchen sollen motiviert werden, auch typische Männerberufe zu erlernen, also technische und naturwissenschaftliche Berufe.
der Boys’ Day: ein jährlicher Informationstag für Jungen; Die Jungen sollen motiviert werden, auch typische Frauenberufe zu erlernen, wie Erzieher oder Grundschullehrer.
sich auseinandersetzen mit: diskutieren
sich auseinandersetzen mit: diskutieren
sich auseinandersetzen mit: diskutieren
das Profil, die Profile: eine Übersicht der persönlichen Stärken, Schwächen und Interessen
die Selbsteinschätzung, die Selbsteinschätzungen: selbst beurteilen, wo die persönlichen Stärken und Schwächen liegen.
die Fremdeinschätzung, die Fremdeinschätzungen: andere Menschen beurteilen, wo die Stärken und Schwächen einer Person liegen.
das Knigge-Projekt: ein Kurs, in dem man lernt, wie man sich richtig benimmt und verhält; nach Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge (1752-1796), der Bücher darüber schrieb, wie man richtig mit Menschen umgehen sollte.
das Kompetenztraining, die Kompetenztrainings: Fähigkeiten werden trainiert, die im Unterricht nicht geübt werden, aber im Beruf wichtig sind, so wie: im Team arbeiten, Probleme lösen, Gespräche führen.
das soziale Lernen: miteinander und von anderen lernen sowie anderen helfen
die Spannweite, die Spannweiten: die Breite, das Spektrum
die individuelle Förderung: hier: die gezielte Hilfe für jeden Schüler je nach seinen Stärken und Schwächen
in guten Händen: sicher, behütet, gut aufgehoben
die Vielfalt: das Spektrum, die Anzahl
mitunter: manchmal
ungewöhnlich: besonders, neu, nicht wie alle anderen
der soziale Hintergrund: hier: das Elternhaus der Kinder; Der soziale Hintergrund kann je nach Bildung, Beruf und Erfahrung der Eltern unterschiedlich sein.
das freiwillige soziale Jahr: ein Jahr lang ohne Lohn in einer meist sozialen Einrichtung arbeiten, zum Beispiel in einem Kinderheim, einer Schule, einem Altenheim, aber auch in einem Theater, einem Sportverein oder einer politischen Organisation.