Wäre es nicht praktisch, Maschinen oder Computer nur mit unseren Gedanken zu steuern? Was für gesunde Menschen spannend, seltsam oder vielleicht auch beängstigend klingt, macht Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen große Hoffnungen.
Im medizinischen Bereich forschen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um Krankheiten zu heilen, die medizinische Versorgung zu verbessern oder um die Funktionsweise des menschlichen Körpers besser verstehen zu können. Sie wollen Menschen vor Krankheiten schützen, sie heilen oder zumindest dafür sorgen, dass die Patientinnen und Patienten mit ihrer Krankheit oder ihrer Einschränkung besser umgehen können. Dafür entwickeln sie Medikamente, Therapien, Impfstoffe, oder erproben neue Technologien.
Direkte Kommunikation zwischen Mensch und Maschine
Ein sehr ehrgeiziges Ziel verfolgt die Forschung mit Brain-Computer-Interfaces (BCI) (auf Deutsch: Gehirn-Computer-Schnittstelle) oder auch Brain-Machine-Interfaces (BMI) genannt. Damit soll eine direkte Verbindung zwischen dem menschlichen Gehirn und einer Maschine oder einem Computer möglich werden. Menschen sollen in der Lage sein, Geräte direkt über ihre Gedanken zu steuern.
Seyed-Ahmad Ahmadi forscht am Klinikum Großhadern in München und erklärt in mehreren Audios, was BCI sind, wie sie eingesetzt werden und wo ihre Grenzen sind.
Vorstellung des FachgebietsDiese Technologie kann sehr hilfreich sein. Carsten Heuer ist Zukunftsforscher am Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT) in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen. Er sagt: „Menschen, die aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls erhebliche körperliche Einschränkungen haben, können durch BCI wieder stärker mit ihrer Umwelt interagieren. So gewinnen sie einen Teil ihrer Unabhängigkeit zurück. Sie können mit ihren Gedanken zum Beispiel einen Rollstuhl steuern oder künstliche Gliedmaßen.“
Allerdings ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Es wird zwar intensiv und mit ersten Erfolgen an Brain-Computer-Interfaces geforscht, aber bislang profitieren nur einzelne Patientinnen und Patienten davon. „Die Nutzung von aktuellen BCI-Systemen ist meistens umständlich und erfordert ein hohes Maß an Konzentration. Das gilt besonders für BCI, bei denen die Aktivität im Gehirn über Sensoren außen an der Kopfhaut erfasst wird. Solche BCI erlauben beispielsweise die Bedienung einer virtuellen Tastatur oder die Kontrolle eines Roboterarmes“, so Carsten Heuer.
Medizinische Einsatzgebiete
Bei sogenannten Neuroprothesen kommen Brain-Computer-Interfaces bereits mit kleinen Erfolgen zum Einsatz. Motorische Neuroprothesen sollen dafür sorgen, dass durch Gedanken eine Bewegung ausgeführt werden kann. Allerdings muss der Patient oder die Patientin lange dafür trainieren. Und es ist vorher eine Operation nötig. Bei dieser Operation setzt der Arzt ein Implantat, ein klitzekleines elektronisches Gerät, in das Gehirn. Die Hirnregion, die Bewegungen steuern kann, nennt sich motorischer Kortex. Über das Implantat wird eine Verbindung zwischen dem motorischen Kortex und einem Computer hergestellt. Der Patient oder die Patientin „denkt“ eine Bewegung, die dann eine Maschine für ihn ausführt.
Anwendungsbeispiele von BCISensorische Prothesen sollen dafür sorgen, dass bestimmte Sinnesorgane wieder funktionieren, z. B. das Auge oder das Ohr. Was schon sehr gut funktioniert, ist eine Prothese für das Innenohr, das Cochlea-Implantat. Es stellt eine Verbindung zwischen Ohr und Gehirn her. Dadurch können taube oder schwerhörige Menschen wieder hören. Dieses künstliche Hören ist allerdings nicht ganz so gut wie das natürliche Hören. Auch Krankheiten wie Epilepsie, Parkinson oder Depressionen könnten in der Zukunft mit BCI behandelt werden.
Herausforderungen und Grenzen der neuen Technologie
Brain-Computer-Interfaces stellen die Forscher vor große Herausforderungen. Die Implantate müssen aus sehr hochwertigem Material gefertigt sein und brauchen eine lange Lebensdauer. Sie müssen so im Gehirn platziert werden, dass sie es nicht verletzen können.
Chancen und Risiken von BCIDiese Technologie macht vielen Menschen Hoffnung auf ein besseres Leben. Aber es gibt auch moralische Bedenken. Wie sehr darf der Mensch in die Natur eingreifen? Ab wann kann eine technologische Entwicklung auch Schaden anrichten? Wird es eines Tages möglich sein, unsere persönlichen Gedanken zu lesen und zu manipulieren?
Carsten Heuer: „Der medizinische Nutzen von BCI ist groß. Allerdings gibt es Vorbehalte, wenn die Technologie eingesetzt werden soll, um gesunde Menschen leistungsfähiger zu machen.“ Genau das möchte beispielsweise der amerikanische Unternehmer Elon Musk mit seinem Unternehmen Neuralink tun. Mit der Heilung von Krankheiten hat dieses Ziel nichts zu tun. Auch Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, experimentiert mit der neuen Technologie.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten
Anwendungen im UnterhaltungsbereichNatürlich gibt es auch renommierte Forschungszentren, die nicht nur im medizinischen Bereich aktiv sind und Brain-Computer-Interfaces für andere Anwendungen erforschen. „BCI werden zum Beispiel in der Unterhaltungsindustrie getestet. In Computerspielen können Testpersonen damit experimentieren und bereits Figuren und Fahrzeuge steuern. Hier erfolgt die Steuerung über Sensoren an der Kopfhaut und nicht über Implantate. Diese Erfahrungen können bei der Weiterentwicklung dieser Systeme helfen. Derzeit sind BCI-Systeme noch nicht so schnell und zuverlässig, wie normale Eingabegeräte, zum Beispiel Tastatur, Maus oder Joystick. Wenn es aber gelingt, dass Tastaturen oder Lenkräder eines Tages durch BCI ersetzt werden können, wird das unser Leben komplett verändern“, sagt Carsten Heuer.
Sicherheit von BCI