Zum Hauptinhalt springen
Stadt und Leben

Digitale Nomaden – schöne neue Arbeitswelt

Ein Mann sitzt an einem Klapptisch, vor ihm stehen zwei Laptops. Im Hintergrund ein Geländewagen mit Zelt auf dem Dach und eine Wüstenlandschaft.
© Generation World

Um die Welt reisen und gleichzeitig Geld verdienen? Das ist der Traum vieler Menschen – digitale Nomadinnen und Nomaden leben ihn. Digitale Nomaden sind Menschen, die ihre Arbeit online erledigen und von jedem Ort der Welt aus arbeiten können. Wie funktioniert das in der Praxis? Wir haben zwei Paare gefragt.

 

Nomadinnen und Nomaden gab es schon immer. (Annotation: Im Folgenden wird „Nomaden“ aus Gründen der Lesbarkeit für beide Geschlechter in der maskulinen Form verwendet.) Das sind Menschen, die nicht an einem festen Ort wohnen. Sie leben oft in Zelten und ziehen von Ort zu Ort. In der Regel sind sie aus wirtschaftlichen Gründen unterwegs. Oft handelt es sich um Menschen, die mit ihren Tieren immer dorthin wandern, wo es Nahrung gibt, so wie zum Beispiel die Tuareg in der Sahara und die Nomaden in der Mongolei. Oder es sind Handwerkerinnen und Handwerker, die immer dort leben, wo es gerade Arbeit gibt.

Eine neue Generation Nomaden

So ähnlich macht das eine neue Art von Nomaden, die digitalen Nomaden. Nur dass sie nicht unbedingt dort sein müssen, wo es gerade Arbeit gibt, sondern durch die Digitalisierung überall arbeiten können. Mithilfe eines Laptops und einer guten Internetverbindung erledigen sie ihre Arbeit komplett online. Deshalb halten sie sich gerne dort auf, wo andere Urlaub machen. Sie nutzen ihre Freiheit, um fremde Länder und Kulturen kennenzulernen und um nach getaner Arbeit Ausflüge zu machen, zu surfen, am Strand zu liegen oder Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Das Leben als digitaler Nomade bietet durch die flexible Arbeitszeit viele Vorteile.

Digitale Nomaden sind sehr glücklich mit ihrer Arbeit und ihrer Lebensweise

Laut einer Umfrage der Jobplattform MBO Partners vom September 2021 sind 81 Prozent der digitalen Nomaden sehr zufrieden und 11 Prozent zufrieden mit ihrem Leben. Bei Menschen, die einer traditionellen Arbeit nachgehen oder als Selbstständige von ihrem ständigen Wohnort arbeiten, ist die Zufriedenheit nicht ganz so hoch. Unter den nicht-digitalen Nomaden sagten nur 68 Prozent, dass sie mit ihrer Arbeit und ihrem Lebensstil sehr zufrieden sind und 14 Prozent, dass sie zufrieden sind.

Typische Bereiche, in denen digitale Nomaden arbeiten, sind Schreiben, Design, Programmierung, Marketing, Coaching und mehr. Sie verdienen ihr Geld hauptsächlich durch Remote-Arbeit, Freelancing oder Online-Unterricht. Die meisten von ihnen sind zwischen 27 und 40 Jahre alt. Einige digitale Nomaden bleiben länger an einem Ort oder in einem Land. Andere reisen kreuz und quer durch die Welt. Sie wechseln alle paar Tage, Wochen oder Monate ihren Aufenthalts- und Arbeitsort, um neue Erfahrungen zu sammeln und ihre Arbeit mit dem Reisen zu verbinden. Sie bevorzugen dabei meist Länder mit einer guten Internetverbindung, niedrigen Lebenshaltungskosten und einer guten Infrastruktur. Weitere Faktoren sind das Klima, die Gastfreundschaft der Menschen, das Freizeitangebot, die Sprache, eine vorhandene Community digitaler Nomaden, die Lebensqualität und die Sicherheit. Thailand, Indonesien, Portugal, Spanien, Mexiko, Kolumbien und die USA gehören zu den beliebtesten Ländern.

Gibt es auch Nachteile?

Neben den Vorteilen dieser Lebensweise gibt es natürlich auch Nachteile. Wie die Schwierigkeit, Beziehungen aufzubauen, Einsamkeit, die Unsicherheit der Einkommensquelle und die Herausforderung, sich ständig an neue Umgebungen anzupassen. Zudem kann es schwierig sein, eine Work-Life-Balance zu finden, wenn Arbeit und Freizeit wenig Abstand zueinander haben und zu sehr verschmelzen. 

Mit einem Anteil von 48 Prozent stammt knapp die Hälfte aller digitalen Nomaden aus den USA. Sieben Prozent kommen aus Großbritannien, sechs Prozent aus Russland und jeweils vier Prozent aus Kanada und Deutschland. Weitere Zahlen und Fakten zum Thema Digitale Nomaden findest du auf Englisch auf Nomadlist.com. Einen Überblick über die wichtigsten Zahlen auf Deutsch gibt es bei Gitnux (siehe Links zum Thema).

Hannah (28) und Henrik (30)

Hannah und Henrik in der Kalahari-Wüste in Namibia Hannah und Henrik in der Kalahari-Wüste in Namibia | © Generation World

Reisen war schon immer eine große Leidenschaft von Hannah und Henrik. Seit 2019 bloggen sie darüber auf ihrem Reiseblog Generation World. Vor einiger Zeit begann ihr bisher größtes Abenteuer: eine Weltreise ohne Rückflugticket. Nachdem sie ihre Jobs gekündigt und ihre Wohnung in Deutschland aufgelöst hatten, ging es im März 2023 nach Südafrika. Beide arbeiten als Texter, Blogger und Fotografen. Du kannst Hannahs und Henriks Reise auf Instagram verfolgen. Seit Juni 2023 haben die beiden auch einen Podcast. Wir haben im Mai 2023 mit ihnen gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie in Namibia.

Ihr seid gerade auf Weltreise und arbeitet von unterwegs. Womit verbringt ihr die meiste Zeit: mit dem Entdecken fremder Länder und Kulturen oder mit der Arbeit?

Würdet ihr euch selbst als digitale Nomaden bezeichnen oder eher als Reisende?

Wie lange ist diese Lebensweise geplant? Welche Arbeit macht ihr unterwegs und warum eignet sie sich dafür gut?

Wie lässt sich die Arbeit vor Ort organisieren?

Fühlt ihr euch wohl mit der Kombination aus Reisen und Arbeiten?

Habt ihr schon viele andere digitale Nomaden getroffen?

Was sind die Vor- und Nachteile des digitalen Nomadentums?

  • Henrik in der Namibwüste in Namibia
    Ein ganz besonderer Arbeitsplatz. Henrik in der Namibwüste in Namibia. | © Generation World
  • Im Addo Elephant Park
    Hannah bei der Arbeit im Addo Elephant Park, Südafrika. | © Generation World
  • Im Addo Elephant Park
    Und hier das Ergebnis: Ein Elefant im Addo Elephant Park, Südafrika. | © Generation World
  • Zebra im Addo Elephant Park
    Ein Zebra im Addo Elephant Park, Südafrika. | © Generation World
  • Glampinzelt im Hluhluwe Nationalpark
    Bushcamping im Hluhluwe Nationalpark | © Generation World
  • Glampinzelt im Hluhluwe Nationalpark unter dem Sternendach
    Ein Fototraum wird wahr: Die Milchstraße fotografieren. Hannah gelingt ihr erstes Foto der Milchstraße in Hluhluwe in KwaZulu-Natal. | © Generation World
  • Robberg Island Nature Reserve
    Strand muss auf jeden Fall sein. Hier im Robberg Island Nature Reserve. | © Generation World
  • Ein Arbeitsplatz am Pool
    Wer träumt nicht davon? Ein Arbeitsplatz am Pool. | © Generation World
  • Laura (29 Jahre) und Finn (28 Jahre)

    Finn und Laura in Vietnam Finn und Laura in Vietnam | © Laurandfinn

    Laura wollte das Reisen früh zum Beruf machen. Sie studierte Tourismusmanagement und Wirtschaftspsychologie. In ihrem Auslandssemester auf Bali traf sie Finn. Und da war er, der Partner für einen gemeinsamen Traum. Im Jahr 2020 wanderten die beiden nach Bali aus. Von dort erkunden sie die Welt und machen sie als digitale Nomaden zu ihrem Arbeitsplatz. Laura arbeitet im Bereich Social Media Marketing und Business Development. Finn ist Software- und Webentwickler. Auf Instagram haben die beiden über 80.000 Followerinnen und Follower. Du kannst ihre Abenteuer und Reisetipps auch auf ihrem Youtube-Kanal ansehen.

    Wie startet man als digitaler Nomade?

    Wir wollten unbedingt ortsunabhängig arbeiten und haben uns selbstständig gemacht. Wir haben einfach angefangen und lange nach den ersten Kunden gesucht. Da darf man nicht wählerisch sein. Und man sollte sich von Absagen nicht entmutigen lassen. Irgendwann kommt die erste Zusage. Der Anfang war schwierig. Es ist total wichtig, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Keine Idee ist zu verrückt. Probiere es aus und trau dich. Selbstbewusstsein ist alles. Wer denkt „Ich hab doch gar keine Erfahrung!“ fängt niemals an.

    Gibt es ein Land, das ihr nie besuchen würdet oder hat jedes Land eine Chance verdient?

    Wir glauben, wir würden jedem Land eine Chance geben. Aber natürlich gibt es Länder, die wir lieber besuchen möchten als andere. Es kommt auch stark auf die politische Situation und die Sicherheit an. Aber rein kulturell und wegen der Landschaft und der Natur würde uns wahrscheinlich jedes Land interessieren.

    Wie habt ihr es geschafft, eine große Reichweite auf Social Media aufzubauen?

    Wir persönlich glauben, dass man auf jeden Fall Spaß an der Sache haben muss. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Also Spaß an Social Media und an der Interaktion mit Menschen. Es ist total wichtig, zu lieben, was man tut. Wir lieben es einfach, unsere Reisen und Erfahrungen zu teilen, Fotos und Videos zu machen und uns mit so vielen Reisebegeisterten jeden Tag auszutauschen. Man sollte niemals mit Social Media anfangen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, zum Beispiel zu sagen „Ich will 10.000 Follower erreichen“. Denn wenn man das geschafft hat, dann geht es ja weiter. Und dann hat man möglicherweise nie genug. Es kann oft sehr lange dauern, bis man die richtigen Menschen mit dem eigenen Content erreicht. Social Media kann auch sehr oft sehr anstrengend sein. Und es gibt auch sehr verletzende Kommentare.

    Wie klappt es, das Arbeiten und das Reisen zu verbinden?

    Das klappt manchmal besser und manchmal schlechter. Selbstständigkeit ist eine Achterbahnfahrt. Wer jeden Monat das gleiche Gehalt zur gleichen Zeit auf seinem Konto haben möchte, wird damit nicht glücklich. Es gibt immer Monate, in denen es besser läuft und Monate, in denen es weniger Aufträge gibt. Für uns gibt es Phasen, in denen es richtig gut funktioniert. Wir sind motiviert, voller Elan und schaffen viel, das WLAN funktioniert und der Arbeitsplatz ist gut. Und manchmal gibt es Orte, an denen klappt es gar nicht. Natürlich gab es ein paar Urlaubsparadiese, an denen es uns wirklich schwergefallen ist, den Laptop aufzuklappen. Aber das ist ja das Schöne an der Selbstständigkeit. Wir dürfen unser Arbeitspensum selbst bestimmen.

    nach getaner Arbeit: am Ende der Arbeit, in der Freizeit
    die Jobplattform, die Jobplattformen: eine Website, auf der Jobs angeboten und gesucht werden
    der/die Selbstständige, die Selbstständigen: eine Person, die selbstständig arbeitet, ohne von einem Arbeitgeber abhängig zu sein; ein Freiberufler
    das Marketing: ein Arbeitsfeld mit dem Ziel, Produkte oder Dienstleistungen zu bewerben und zu verkaufen.
    das Coaching: ein Berufsfeld, in dem eine Person oder Gruppe beraten wird, wie sie ihre Ziele erreichen und ihr Potenzial entwickeln können.
    die Remote-Arbeit: eine Arbeit, die außerhalb des traditionellen Büros oder Arbeitsortes ausgeführt wird, oft von zu Hause aus oder an einem anderen entfernten Ort.
    das Freelancing: die Tätigkeit als Freiberufler
    kreuz und quer: in verschiedene Richtungen, überallhin
    die Lebenshaltungskosten: Kosten für Unterkunft, Nahrung, Kleidung und anderen Ausgaben; für alles, was man zum Leben benötigt
    die Community: eine Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Interessen
    die Work-Life-Balance: das Gleichgewicht zwischen beruflichem Engagement und persönlichem Leben, der Entspannung in der Freizeit
    verschmelzen: sich vereinen oder verbinden
    der Blogger, die Bloggerin, die Blogger: eine Person, die regelmäßig in einem Blog schreibt, oft zu persönlichen Erfahrungen und Interessen. Blogs sind einfache Websites und können Texte, Bilder, Videos oder eine Kombination davon enthalten
    die Wirtschaftspsychologie: ein Bereich der Psychologie, der sich mit der Anwendung psychologischer Prinzipien auf wirtschaftliche und geschäftliche Kontexte befasst.
    ortsunabhängig: die Fähigkeit, von jedem Ort aus zu arbeiten, ohne an einen bestimmten Standort gebunden zu sein.
    sich nicht entmutigen lassen: trotz Schwierigkeiten weiterhin optimistisch und motiviert bleiben.
    der/die Gleichgesinnte, die Gleichgesinnten: Personen, die ähnliche Interessen, Überzeugungen oder Ziele teilen
    die Reichweite: hier: die Anzahl der Personen, die man durch Veröffentlichungen in den sozialen Medien erreicht
    der Content: der Inhalt einer Website oder von Social-Media-Posts
    verletzend: etwas, das jemanden beleidigt, seine/ihre Gefühle verletzt
    die Achterbahnfahrt: hier: eine Erfahrung mit vielen Höhen und Tiefen
    aufklappen: einen Gegenstand mit einer Abdeckung öffnen
    das Arbeitspensum: die Menge an Arbeit, die in einem bestimmten Zeitraum erledigt werden muss