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Stadt und Leben

Schicker Protest – Grüne Mode ist angesagt

Etiketten von Kleidungsstücken, die in Deutschland verkauft werden
© picture alliance / obs

Ein Billig-T-Shirt reist durch viele Länder, bis es im Laden ankommt. Die Produktionsbedingungen sind nicht überall fair. In Deutschland gibt es eine Grüne Modebewegung, die das ändern will.

Auf einem gespritzten Feld wächst ein Baumwollstrauch. Seine weißen, flauschigen Knäuel werden von einem erschöpften Kleinbauern gepflückt. Dann wandern sie tonnenweise in eine Färbefabrik. Arbeiter hantieren dort mit gefährlichen Chemikalien, um die Fasern zu färben und zu verarbeiten. Die Knäuel werden zu einem Baumwollstoff verwebt und in eine Nähfabrik gebracht. Dort sitzen Näherinnen, manche sind noch Kinder, die bis zu 15 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, T-Shirts nähen. Anschließend werden die T-Shirts in wohlhabende Länder geliefert. Dort werden sie zu Billig-Preisen angeboten. Viele kaufen sie und tragen sie eine Weile. Dann kommen die Teile wieder aus der Mode und bleiben im Kleiderschrank liegen. Die Baumwollknäuel haben bis hierhin viele Dinge erlebt, einige Länder durchreist und viel Leid gesehen.

Bewusst „grün“ einkaufen

Seitdem in den Medien in den letzten Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde, unter welchen Bedingungen viele Kleidungsstücke produziert werden, hat sich das Bewusstsein vieler Konsumenten in Deutschland verändert. Spätestens als 2013 das „Rana Plaza“, eine neunstöckige Textilfirma in Bangladesch, einstürzte und über tausend Menschen starben, wurde vielen bewusst, dass ihre Kaufgewohnheiten mit dem Leben anderer zusammenhängen.

Julia ist eine von denen, die daran etwas ändern wollen. Die 26-Jährige ist Studentin und hat eigentlich nicht viel Geld zur Verfügung. Weil sie sich aber für fair produzierte Mode einsetzt, kauft sie ihre Kleidung in Ökoläden. Die Kleidungsstücke dort sind zwar dreimal so teuer wie bei großen Modeketten, Julia kauft dann aber einfach weniger ein – anstatt zehn neuer Teile gibt es eben nur noch eines im Monat. Außerdem stöbert sie auf Flohmärkten nach Klamotten oder trifft sich mit Freundinnen zu Kleidertausch-Partys. So kann sie Geld sparen und hat trotzdem eine gute Auswahl im Kleiderschrank.

„Ich glaube, dass wir hier mit dafür verantwortlich sind, wie es den Leuten dort drüben geht", sagt Julia. Vor einiger Zeit hat sie bei einem sogenannten „konsumkritischen Stadtrundgang“ in Köln mitgemacht. Dort wurde ihr erklärt, welche Wege eine Textilkette manchmal nimmt. Einige T-Shirts haben teilweise bis zu 16 verschiedene Länder durchlaufen, bis sie letztendlich im Laden landen. Trotzdem kosten sie am Ende nicht mehr als ein Eisbecher.

Gegen unfaire Kleidung protestieren

Dieses Problem beschäftigt Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen schon länger. In den neunziger Jahren wurde erstmals eine Kampagne gegen unfaire Textilproduktion gegründet: die „Clean Clothes Campaign“, die es mittlerweile in 16 europäischen Ländern gibt. Sie vernetzt über 300  Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen, kirchliche Gruppen, Weltläden, NGOs und Frauenrechtsorganisationen. Sie alle stehen mit Organisationen und Aktivisten in Entwicklungsländern in Kontakt und besprechen gemeinsam, was sich ändern muss.

Auch in Deutschland gibt es die „Kampagne für Saubere Kleidung“. Sie informiert zum Beispiel Lehrer und Schüler über faire und nachhaltige Bekleidung. „Es gibt viele Leute, die bei uns nachfragen und wissen wollen, was sie tun können“, erzählt Anna Korittke, Koordinatorin der Kampagne. Etwas tun können die Menschen auf ganz unterschiedliche Weise, etwa durch die Beteiligung an Online-Petitionen oder die Teilnahme an Aktionstagen, die im Zuge der Kampagne organisiert werden. „Es kann aber auch schon etwas verändern, wenn man im Laden nachfragt, ob die Kleidung fair produziert wurde. Das ist ein kleiner Schritt, aber das kann schon viel bewirken.“

Neue Ökomode im Trend

Dass sich schon etwas verändert hat, ist mittlerweile auch in der Modeindustrie zu spüren. Früher hatte Ökomode den Ruf, beige oder braun, kratzig oder labbrig zu sein. Dieses Image hat sich bis heute stark gewandelt – Ökomode ist längst nicht mehr so langweilig, wie sie früher einmal war. Im Gegenteil, sie liegt sogar stark im Trend. Bekannte deutsche Designer wie zum Beispiel Michael Michalsky setzen sich für nachhaltige Mode ein und auch im Rahmen der Fashion Week in Berlin setzt man mehr und mehr auf den Grüne-Mode-Trend: In der „Ethical Fashion Show“ präsentieren über hundert Modelabels aus der ganzen Welt in diesem Jahr erstmals fair produzierte und ökologische Kleidung.

In Gang gesetzt haben diesen Trend Leute wie Julia. Durch das neue Öko-Modebewusstsein ist die Nachfrage sogar so weit gestiegen, dass selbst große Bekleidungshäuser einzelne Öko-Labels in ihr Sortiment aufgenommen haben. Aber auch Läden wie „green guerillas“ in Köln, die ausschließlich ökologisch und fair produzierte Kleidung verschiedener Öko-Labels anbieten, zeigen, dass Kleidungsstücke aus Naturfasern sehr modern aussehen und sich gut anfühlen können. „In den letzten Jahren sind tolle Neuerungen dazu gekommen, was die Stoff-Qualität angeht. Es gibt Kreationen aus Hanf oder Biobaumwolle oder neue Fasern aus Eukalyptus oder Buchenholz", erklärt Marlis die neuen Entwicklungen in der Textilindustrie.

Sie und Kai sind Inhaber von „green guerillas“. Kai hat Sport studiert, Marlis hat einen Abschluss in Politik. Beide haben sich oft dem Thema Nachhaltigkeit und Globale Entwicklung auseinandergesetzt. 2011 hatte Kai dann die Idee, einen Laden für faire Mode zu eröffnen – Marlis war gleich Feuer und Flamme. Ihr Ladenkonzept kommt gut an, es gibt sogar schon eine zweite Filiale. „Es lief von vornerein sehr gut. Viele kaufen hier gerne ein, nicht nur, weil es Ökomode ist, sondern weil die Sachen toll aussehen“, sagt Kai. Der Kunde kann das mit den Siegeln überprüfen, die in der Kleidung vernäht sind.

Die Öko-Labels arbeiten fair, umweltfreundlich und setzen auch auf Transparenz, etwa indem sie Videoaufnahmen von den Produktionsbedingungen vor Ort drehen. Julia kauft sich an diesem Tag eine Sonnenbrille mit einem Rahmen aus Bambus. „Mal was anderes und die Form sieht schön aus", findet sie.

Grüne Mode – nicht für jedermann

Textil-Experten sagen, dass ein durchschnittlicher Europäer im Jahr 20 Kilogramm Textilien verbraucht. Weltweit werden heute bis zu 75 Millionen Tonnen Baumwolle produziert, in den neunziger Jahren waren es 38 Millionen Tonnen. Heute gibt es also fast doppelt so viel Baumwolle auf dem Markt. Das macht deutlich, dass es weiterhin Konsumenten gibt, die viel Bekleidung kaufen, die nicht unbedingt fair produziert wurde – nicht selten sogar trotz eines veränderten Konsumbewusstseins.

Die 28-jährige Niki ist eine von diesen Personen. Niki ist modebewusst und trägt gerne viele verschiedene Outfits. Auch sie hat ein kleines Budget. Öko-Mode hält sie zwar für eine gute Idee, trotzdem kauft sie oft günstige Kleidung bei großen Modeketten ein. „Der gute Wille ist da, aber im Alltag greift man dann doch zu einem schönen Teil, das man unterwegs in der Stadt sieht“, gesteht sie. Bei großen Modeläden gibt es viel mehr Auswahl, aber auch die Kleidung gefällt Niki sehr gut. Deshalb fällt es ihr oft schwer, dort nicht einzukaufen. „Shoppen macht mir auch einfach Spaß, ich flaniere gerne durch die Läden. Das hat man nicht mehr, wenn man nur manchmal etwas nur bei einem Ökoladen kauft.“

Außerdem ist Niki skeptisch, wenn es um die Öko-Siegel geht. Es gibt viele Siegel, die auf allen möglichen Produkten kleben. „Woher weiß ich, welches Bio-Siegel stimmt?“, fragt sie sich oft. Wirklich vertrauenswürdig sind laut der Kampagne für saubere Bekleidung nur bestimmte Siegel, wie zum Beispiel der „Global Organic Textile Standard“. Weil sich viele Konsumenten mit den vielen Siegeln schwer tun, hat die Kampagne einen „Pfadfinder“ herausgebracht, der erklärt, wie man sich im Siegel-Dschungel zurechtfinden kann.
 

Die Textile Kette © „WEARFAIR – Ein Wegweiser durch den Label-Dschungel bei Textilien“ der Christlichen Initiative Romero (CIR), www.ci-romero.de


Kein Wandel ohne die großen Konzerne

Bei einem großen Konzern einzukaufen ist nicht unbedingt falsch. Nach dem Unglück in Bangladesch sind einige Textilunternehmen dem sogenannten „Bangladesh Accord“ beigetreten, um die Sicherheitsvorkehrungen in den Fabriken zu verbessern. „Es sind aber bei weitem nicht alle dabei“, sagt Anna Korittke. Warum nicht einfach alle Konzerne so fair wie die kleinen Ökoläden produzieren? Die einzelnen Firmen befürchten einen Wettbewerbsnachteil, vermutet sie. Wenn die Konzerne es nicht freiwillig ändern, müsse es gesetzliche Maßnahmen geben. Es würde aber auch schon helfen, wenn die Unternehmen ihre Aufträge nicht so kurzfristig vergeben: „Die Mengen oder Farben werden nochmal schnell geändert oder das Kleidungsstück erhält schnell noch einen anderer Schnitt. Die Fabriken, in denen die Kleidung produziert wird, haben dadurch sehr viel weniger Zeit, um die Sachen wirklich fertigzustellen.“

Die Modewelt umkrempeln

Den Mitgliedern der Kampagne für Saubere Kleidung ist bewusst, dass sich die Modewelt nicht sofort umkrempeln lässt und ab sofort nur noch fair produziert. Aber sie arbeiten unermüdlich daran. Kürzlich wurde im Rahmen der Kampagne eine Aktion gestartet, mit der Schüler etwas verändern können, indem sie faire Abi-T-Shirts einkaufen. Aber auch, wenn ein Schüler ein Referat über das Thema hält, kann das schon etwas bewegen: „Dann hat man zumindest schon mal die eigenen Mitschüler darauf aufmerksam gemacht“, sagt Anna Korittke.

die grüne Modebewegung: ein Trend oder eine Strömung in der Mode. Die Teilnehmer dieser Bewegung achten darauf, dass modische Kleidung mit möglichst wenig Schaden für die Umwelt und die Arbeiter hergestellt wird.
gespritzt: hier: Chemische Stoffe werden auf das Feld gegeben, um Insekten und Bakterien zu töten.
der Baumwollstrauch, die Baumwollsträucher: eine Pflanze, aus der Stoff für Kleindung hergestellt wird.
das flauschige Knäuel, die flauschigen Knäuel: hier: eine weiche, kleine Kugel
hantieren: hier: arbeiten
die Faser, die Fasern: hier: aus der Baumwolle gewonnenes langes, sehr dünnes Basismaterial
verweben: hier: das lange, dünne Basismaterial wird so verarbeitet, dass ein großes Stück Stoff entsteht
wohlhabend: reich
aus der Mode kommen: nicht mehr modisch sein
aus der Mode kommen: nicht mehr modisch sein
das Bewusstsein: die Überzeugung, die Meinung
der Ökoladen, die Ökoläden: ein Geschäft, das ausschließlich Produkte verkauft, die mit wenig Schaden für die Umwelt und die Arbeiter hergestellt wurden
die Modekette, die Modeketten: ein Modeunternehmen, das Geschäfte in vielen Städten und fast überall auf der Welt hat
stöbern: etwas suchen und Freude daran haben
die Kleidertausch-Party, die Kleidertausch-Partys: Menschen treffen sich und jeder bringt Kleidung mit, die er oder sie nicht mehr tragen möchte. Man kann sich so viele Kleidungsstücke von den anderen Teilnehmern aussuchen, wie man selbst mitgebracht.
die Textilkette: der Weg, den ein Kleidungsstück nimmt: von der Baumwolle bis zum fertigen Kleidungsstück im Geschäft
der Aktivist, die Aktivisten: eine Person, die sich für ein bestimmte Sache oder ein Ziel einsetzt
die Menschenrechtsorganisation, die Menschenrechtsorganisationen: eine Organisation, die dafür kämpft, dass die Menschenrechte eingehalten werden
die Gewerkschaft, die Gewerkschaften: eine Organisation, die sich für die Rechte von Arbeitern einer bestimmten Berufsgruppe einsetzt
die Verbraucherorganisation, die Verbraucherorganisationen: eine Organisation, die die Menschen berät, die Waren kaufen
der Weltladen, die Weltläden: ein Geschäft, das Produkte aus den Ländern des Südens verkauft, die dort unter guten Arbeitsbedingungen entstanden sind
die NGO, die NGOs (englisch für non-governmental organization): die Nichtregierungsorganisation; eine Organisation, die nicht staatlich ist, sondern in der Gesellschaft entstanden ist und sich meist für einen sozialen Zweck einsetzt
nachhaltig: hier: Bekleidung, die mit wenig Schaden für die Umwelt und die Arbeiter hergestellt wurde
die Online-Petition, die Online-Petitionen: eine Unterschriftensammlung für ein bestimmtes Ziel im Internet
im Zuge: hier: zusammen mit, gleichzeitig mit
den Ruf haben: das Image, die Reputation; hier: was die meisten Menschen über Ökomode denken
labbrig: hier: nicht gut passen, zu weit sein
das Modelabel, die Modelabels: eine Marke, unter der ein Modeunternehmen Kleidung verkauft
in Gang setzen: hier: auslösen, beginnen
die Nachfrage: hier: die Bereitschaft von Menschen, bestimmte Produkte zu kaufen
in das Sortiment nehmen: hier: etwas anbieten, etwas im Geschäft verkaufen
die Kreation, die Kreationen: hier: das Modell, das Kleidungsstück
der Hanf: eine hochwachsende Pflanze, aus deren Stängeln man Fasern gewinnen kann
der Eukalyptus: ein Baum, der besonders in Australien heimisch ist
das Buchenholz: das Holz einer Buche
die globale Entwicklung: die allgemeine Entwicklung in der Welt
für etwas oder jemanden Feuer und Flamme sein: von etwas begeistert sein
für etwas oder jemanden Feuer und Flamme sein: von etwas begeistert sein
das Siegel, die Siegel: hier: ein Nachweis, dass das Kleidungsstück unter guten Bedingungen für Umwelt und Arbeiter hergestellt wurde
auf Transparenz setzen: hier: die Produzenten wollen, dass der Kunde sehen kann, wie das Kleidungsstück produziert wurde
der Bambus: eine schnell wachsende Pflanze, die vor allem in Gebieten wächst, in denen es feucht und sehr warm ist
flanieren: spazieren gehen; hier: in Ruhe durch die Geschäfte gehen und sich umschauen
vertrauenswürdig: einer Sache oder einem Menschen kann man vertrauen; hier: bestimmten Siegeln kann man vertrauen
sich schwer tun: ein Problem mit etwas haben
sich schwer tun: ein Problem mit etwas haben
sich im Siegel-Dschungel zurechtfinden: den Überblick behalten, obwohl es so viele verschiedene Siegel gibt
die Sicherheitsvorkehrung, die Sicherheitsvorkehrungen: die Bestimmungen für die Sicherheit
etwas umkrempeln: hier: etwas völlig verändern
unermüdlich: hier: fleißig, entschlossen