Ein Billig-T-Shirt reist durch viele Länder, bis es im Laden ankommt. Die Produktionsbedingungen sind nicht überall fair. In Deutschland gibt es eine Grüne Modebewegung, die das ändern will.
Auf einem gespritzten Feld wächst ein Baumwollstrauch. Seine weißen, flauschigen Knäuel werden von einem erschöpften Kleinbauern gepflückt. Dann wandern sie tonnenweise in eine Färbefabrik. Arbeiter hantieren dort mit gefährlichen Chemikalien, um die Fasern zu färben und zu verarbeiten. Die Knäuel werden zu einem Baumwollstoff verwebt und in eine Nähfabrik gebracht. Dort sitzen Näherinnen, manche sind noch Kinder, die bis zu 15 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, T-Shirts nähen. Anschließend werden die T-Shirts in wohlhabende Länder geliefert. Dort werden sie zu Billig-Preisen angeboten. Viele kaufen sie und tragen sie eine Weile. Dann kommen die Teile wieder aus der Mode und bleiben im Kleiderschrank liegen. Die Baumwollknäuel haben bis hierhin viele Dinge erlebt, einige Länder durchreist und viel Leid gesehen.
Bewusst „grün“ einkaufen
Seitdem in den Medien in den letzten Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde, unter welchen Bedingungen viele Kleidungsstücke produziert werden, hat sich das Bewusstsein vieler Konsumenten in Deutschland verändert. Spätestens als 2013 das „Rana Plaza“, eine neunstöckige Textilfirma in Bangladesch, einstürzte und über tausend Menschen starben, wurde vielen bewusst, dass ihre Kaufgewohnheiten mit dem Leben anderer zusammenhängen.
Julia ist eine von denen, die daran etwas ändern wollen. Die
„Ich glaube, dass wir hier mit dafür verantwortlich sind, wie es den Leuten dort drüben geht", sagt Julia. Vor einiger Zeit hat sie bei einem sogenannten „konsumkritischen Stadtrundgang“ in Köln mitgemacht. Dort wurde ihr erklärt, welche Wege eine Textilkette manchmal nimmt. Einige T-Shirts haben teilweise bis zu 16 verschiedene Länder durchlaufen, bis sie letztendlich im Laden landen. Trotzdem kosten sie am Ende nicht mehr als ein Eisbecher.
Gegen unfaire Kleidung protestieren
Dieses Problem beschäftigt Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen schon länger. In den neunziger Jahren wurde erstmals eine Kampagne gegen unfaire Textilproduktion gegründet: die „Clean Clothes Campaign“, die es mittlerweile in 16 europäischen Ländern gibt. Sie vernetzt über 300 Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen, kirchliche Gruppen, Weltläden, NGOs und Frauenrechtsorganisationen. Sie alle stehen mit Organisationen und Aktivisten in Entwicklungsländern in Kontakt und besprechen gemeinsam, was sich ändern muss.
Auch in Deutschland gibt es die „Kampagne für Saubere Kleidung“. Sie informiert zum Beispiel Lehrer und Schüler über faire und nachhaltige Bekleidung. „Es gibt viele Leute, die bei uns nachfragen und wissen wollen, was sie tun können“, erzählt Anna Korittke, Koordinatorin der Kampagne. Etwas tun können die Menschen auf ganz unterschiedliche Weise, etwa durch die Beteiligung an Online-Petitionen oder die Teilnahme an Aktionstagen, die im Zuge der Kampagne organisiert werden. „Es kann aber auch schon etwas verändern, wenn man im Laden nachfragt, ob die Kleidung fair produziert wurde. Das ist ein kleiner Schritt, aber das kann schon viel bewirken.“
Neue Ökomode im Trend
Dass sich schon etwas verändert hat, ist mittlerweile auch in der Modeindustrie zu spüren. Früher hatte Ökomode den Ruf, beige oder braun, kratzig oder labbrig zu sein. Dieses Image hat sich bis heute stark gewandelt – Ökomode ist längst nicht mehr so langweilig, wie sie früher einmal war. Im Gegenteil, sie liegt sogar stark im Trend. Bekannte deutsche Designer wie zum Beispiel Michael Michalsky setzen sich für nachhaltige Mode ein und auch im Rahmen der Fashion Week in Berlin setzt man mehr und mehr auf den Grüne-Mode-Trend: In der „Ethical Fashion Show“ präsentieren über hundert Modelabels aus der ganzen Welt in diesem Jahr erstmals fair produzierte und ökologische Kleidung.
In Gang gesetzt haben diesen Trend Leute wie Julia. Durch das neue Öko-Modebewusstsein ist die Nachfrage sogar so weit gestiegen, dass selbst große Bekleidungshäuser einzelne Öko-Labels in ihr Sortiment aufgenommen haben. Aber auch Läden wie „green guerillas“ in Köln, die ausschließlich ökologisch und fair produzierte Kleidung verschiedener Öko-Labels anbieten, zeigen, dass Kleidungsstücke aus Naturfasern sehr modern aussehen und sich gut anfühlen können. „In den letzten Jahren sind tolle Neuerungen dazu gekommen, was die Stoff-Qualität angeht. Es gibt Kreationen aus Hanf oder Biobaumwolle oder neue Fasern aus Eukalyptus oder Buchenholz", erklärt Marlis die neuen Entwicklungen in der Textilindustrie.
Sie und Kai sind Inhaber von „green guerillas“. Kai hat Sport studiert, Marlis hat einen Abschluss in Politik. Beide haben sich oft dem Thema Nachhaltigkeit und Globale Entwicklung auseinandergesetzt. 2011 hatte Kai dann die Idee, einen Laden für faire Mode zu eröffnen – Marlis war gleich Feuer und Flamme. Ihr Ladenkonzept kommt gut an, es gibt sogar schon eine zweite Filiale. „Es lief von vornerein sehr gut. Viele kaufen hier gerne ein, nicht nur, weil es Ökomode ist, sondern weil die Sachen toll aussehen“, sagt Kai. Der Kunde kann das mit den Siegeln überprüfen, die in der Kleidung vernäht sind.
Die Öko-Labels arbeiten fair, umweltfreundlich und setzen auch auf Transparenz, etwa indem sie Videoaufnahmen von den Produktionsbedingungen vor Ort drehen. Julia kauft sich an diesem Tag eine Sonnenbrille mit einem Rahmen aus Bambus. „Mal was anderes und die Form sieht schön aus", findet sie.
Grüne Mode – nicht für jedermann
Textil-Experten sagen, dass ein durchschnittlicher Europäer im Jahr 20 Kilogramm Textilien verbraucht. Weltweit werden heute bis zu 75 Millionen Tonnen Baumwolle produziert, in den neunziger Jahren waren es 38 Millionen Tonnen. Heute gibt es also fast doppelt so viel Baumwolle auf dem Markt. Das macht deutlich, dass es weiterhin Konsumenten gibt, die viel Bekleidung kaufen, die nicht unbedingt fair produziert wurde – nicht selten sogar trotz eines veränderten Konsumbewusstseins.
Die 28-jährige Niki ist eine von diesen Personen. Niki ist modebewusst und trägt gerne viele verschiedene Outfits. Auch sie hat ein kleines Budget. Öko-Mode hält sie zwar für eine gute Idee, trotzdem kauft sie oft günstige Kleidung bei großen Modeketten ein. „Der gute Wille ist da, aber im Alltag greift man dann doch zu einem schönen Teil, das man unterwegs in der Stadt sieht“, gesteht sie. Bei großen Modeläden gibt es viel mehr Auswahl, aber auch die Kleidung gefällt Niki sehr gut. Deshalb fällt es ihr oft schwer, dort nicht einzukaufen. „Shoppen macht mir auch einfach Spaß, ich flaniere gerne durch die Läden. Das hat man nicht mehr, wenn man nur manchmal etwas nur bei einem Ökoladen kauft.“
Außerdem ist Niki skeptisch, wenn es um die Öko-Siegel geht. Es gibt viele Siegel, die auf allen möglichen Produkten kleben. „Woher weiß ich, welches Bio-Siegel stimmt?“, fragt sie sich oft. Wirklich
vertrauenswürdig sind laut der Kampagne für saubere Bekleidung nur bestimmte Siegel, wie zum Beispiel der „Global Organic Textile Standard“. Weil
sich viele Konsumenten mit den vielen Siegeln
schwer tun, hat die Kampagne einen „Pfadfinder“ herausgebracht, der erklärt, wie man
sich im Siegel-Dschungel zurechtfinden kann.
Kein Wandel ohne die großen Konzerne
Bei einem großen Konzern einzukaufen ist nicht unbedingt falsch. Nach dem Unglück in Bangladesch sind einige Textilunternehmen dem sogenannten „Bangladesh Accord“ beigetreten, um die Sicherheitsvorkehrungen in den Fabriken zu verbessern. „Es sind aber bei weitem nicht alle dabei“, sagt Anna Korittke. Warum nicht einfach alle Konzerne so fair wie die kleinen Ökoläden produzieren? Die einzelnen Firmen befürchten einen Wettbewerbsnachteil, vermutet sie. Wenn die Konzerne es nicht freiwillig ändern, müsse es gesetzliche Maßnahmen geben. Es würde aber auch schon helfen, wenn die Unternehmen ihre Aufträge nicht so kurzfristig vergeben: „Die Mengen oder Farben werden nochmal schnell geändert oder das Kleidungsstück erhält schnell noch einen anderer Schnitt. Die Fabriken, in denen die Kleidung produziert wird, haben dadurch sehr viel weniger Zeit, um die Sachen wirklich fertigzustellen.“
Die Modewelt umkrempeln
Den Mitgliedern der Kampagne für Saubere Kleidung ist bewusst, dass sich die Modewelt nicht sofort umkrempeln lässt und ab sofort nur noch fair produziert. Aber sie arbeiten unermüdlich daran. Kürzlich wurde im Rahmen der Kampagne eine Aktion gestartet, mit der Schüler etwas verändern können, indem sie faire Abi-T-Shirts einkaufen. Aber auch, wenn ein Schüler ein Referat über das Thema hält, kann das schon etwas bewegen: „Dann hat man zumindest schon mal die eigenen Mitschüler darauf aufmerksam gemacht“, sagt Anna Korittke.