Menschen mit Einschränkungen werden oft in speziellen Einrichtungen betreut (zum Beispiel Förderschulen), zum Teil abseits der Gesellschaft. Durch „Inklusion“ soll sich das ändern: Mehr gemeinsames Lernen und Leben, für eine buntere und gerechtere Gesellschaft! Wir berichten von erfolgreichen Projekten, aber auch von Schwierigkeiten, in Deutschland.
Inklusion?
Theoretisch haben alle Menschen das Recht, am öffentlichen Leben teilhaben zu können. Doch in der Praxis funktioniert das oft nicht. Aus diesem Grund gibt es seit 2008 einen Beschluss der Vereinten Nationen (UNO), dem auch Deutschland, Österreich und die Schweiz zugestimmt haben. In diesem Beschluss geht es um Inklusion. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Einschränkungen ein normaler Teil der Gesellschaft werden. Dazu gehört auch eine gute Bildung, gemeinsam mit Menschen ohne Einschränkungen und möglichst ein Leben lang. Aber reicht es, einfach die Trennung zwischen den Institutionen aufzuheben, nach dem Motto: „Dabei sein ist alles!“? Nein, so einfach ist es nicht. Außerdem wird dieses Sprichwort gern gesagt, wenn jemand an einem Spiel oder Wettkampf teilnimmt ohne zu gewinnen. Expertinnen und Experten (aus Wissenschaft, Erziehung oder Bildung) wissen, dass Inklusion Vorteile für alle haben kann. Sie wissen aber auch von spezifischen Problemen und Herausforderungen. Beim institutionellen Lernen – vom Kindergarten bis zur Universität – bedeutet inklusive Bildung nämlich auch individuelle Förderung und Unterstützung. Bevor wir euch die Ergebnisse unserer Recherche vorstellen, wollen wir klären, wer eigentlich diese Menschen mit Einschränkungen sind.
Um wen geht es?
Inklusion bezieht sich auf Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen. Das sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die nicht gut oder gar nicht sehen, hören oder sprechen können. Oder sie können sich nicht frei bewegen, zum Beispielweil sie nicht laufen können und in einem Rollstuhl sitzen. Auch gemeint sind Menschen, die sehr alt oder chronisch krank sind oder eine Erbkrankheit haben. Es geht außerdem um Menschen mit Lernschwierigkeiten oder problematischem Sozialverhalten. Ursachen dafür sind oft traumatische Erlebnisse. Daher dreht sich Inklusion auch um Geflüchtete, die in Deutschland leben: Sie müssen nicht nur „nebenbei“ deutsche Sprache und Kultur lernen, sondern haben oft Schlimmes erlebt, wie Gewalt, Verfolgung und Krieg.
Nicht zuletzt geht es um die Mehrheit der Gesellschaft, die ohne Einschränkungen lebt. Denn die Bereitschaft zur Kooperation entscheidet, wie inklusiv unsere Welt tatsächlich ist.
Beispiele aus der Praxis
Im Folgenden werden drei Projekte vorgestellt, die in unterschiedlichen Bereichen der inklusiven Bildung erfolgreich sind. Sie sind Vorbilder dafür, wie Inklusion in Deutschland weiter ausgebaut werden kann.
Bildungsfachkräfte aus Kiel
Am „Institut für inklusive Bildung“ in Kiel werden sogenannte Bildungsfachkräfte ausgebildet. Das sind Menschen mit Einschränkungen, die ihre Lebenswelten mit anderen teilen wollen. Dafür besuchen sie Schulen und Universitäten. Mehr Informationen erhaltet ihr hier:
Evangelisches Schulzentrum Martinschule in Greifswald
Eine Schule, in der wirklich alle Kinder und Jugendlichen willkommen sind: Mädchen und Jungen mit Begabungen aller Art, mit und ohne Handicap, Kinder aus verschiedenen Kulturen und Religionen – das ist die Martinschule. Was sie so besonders macht, dass sie im Jahr 2018 den Deutschen Schulpreis gewonnen hat, erfahrt ihr hier:
Die „Musikbaustelle“ Jena
Steffen Landeck und seine Kolleginnen und Kollegen vom Verein „AndersGleich e.V.“ aus Jena (Thüringen) haben Menschen mit Einschränkungen und ihre Angehörigen gefragt, welche Unterstützung sie sich wünschen. So haben sie herausgefunden, dass es zu wenige Angebote am Nachmittag und in den Ferien gibt, wenn Kindergärten, Schulen, Werkstätten usw. geschlossen sind. Es ist wichtig, dass die Bildungsinstitutionen stärker inklusiv denken, aber Bildung findet eben auch im Freizeitbereich statt. Deswegen hat der Verein unter anderem das inklusive Lernprojekt „Musikbaustelle“ ins Leben gerufen. Hier wird es präsentiert:
Erfahrungen und Meinungen
Die Meinungen über Inklusion in der Bildung sind sehr verschieden. Es kommt darauf an, wen man fragt: Menschen mit oder ohne Förderbedarf, Expertinnen und Experten oder Laien, Verwandte, Freunde oder Menschen, die mit Inklusion direkt keine Erfahrungen gemacht haben. Es ist natürlich unmöglich, die ganze Palette an Meinungen abzubilden. Beispielhaft kommen hier trotzdem Akteure zu Wort, die wegen ihrer unterschiedlichen Erfahrungen mit Inklusion auch unterschiedliche Meinungen zum Thema haben.
Eva Mäurer, Grundschullehrerin in Leipzig
Desiree Köhler, Schulbegleiterin in Jena
Antonia und Ruby, Drittklässlerinnen einer Grundschule in Leipzig, über einen Mitschüler mit Förderbedarf
Daniel Oder-Kriewald, Theaterpädagoge in Saarbrücken
Silke Lyska, Schulvorstand einer freien Reformschule in Ilmenau
Timea (Klassenstufe 7) und Adrian (Klassenstufe 2), Martinschule Greifswald
Steffen Landeck, Musiktherapeut aus Jena
Fazit
Die Integration möglichst aller Menschen in die Gesellschaft ist ein hohes Ziel. Der Weg zu seiner Umsetzung ist lang und voller Hindernisse, aber vielerorts wird er längst begangen. Mit der Inklusionsinitiative haben sich die Bemühungen der teilnehmenden Bundesländer in den letzten Jahren intensiviert, und es lassen sich schon viele positive Entwicklungen beobachten. Das zeigen die Beispiele aus der Praxis. Wo Inklusion bereits Routine geworden ist, wo es heißt „Anders sein ist normal!“, läuft das meiste gut. Aber Routine stellt sich nicht von selbst ein. Wenn die negativen Erfahrungen überwiegen, kann sich zum Beispiel eine Schule in die andere Richtung bewegen. Das spiegelt sich in einigen der Meinungen wider. Daher wird es auch in Zukunft wichtig bleiben, über Inklusion zu diskutieren und Verbesserungen einzuführen, damit mehr und mehr Menschen inklusiv denken und vor allem handeln.