Romeo meetz Yulija, Dortmund trifft Mariupol
Das digitale Jugendtheater-Projekt „Lorenz.io (Romeo meetz Yulija)“ mit 20 Darstellerinnen und Darstellern aus der Ukraine und Deutschland feierte Online-Premiere. Hervorgegangen aus dem Projekt „Digitale Perspektiven im Jugendtheater“ des Goethe-Instituts Ukraine, bewies es, wie man auch während der Corona-Pandemie eindrucksvolles Theater spielen kann.
Ein Theaterstück in einer Zeit, in der wegen Corona nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern die Spielstätten geschlossen haben, ist eine besondere Herausforderung, die aber auch zu kreativen Leistungen anspornen kann. Wie das geht, hat eine Gruppe von zehn Jugendlichen aus der PASCH-Schule Mariupol, Ukraine und zehn Jugendlichen aus Deutschland bewiesen. Sie haben das digitale Jugendtheater-Projekt „Lorenz.io (Romeo meetz Yulija)“ mit großem Engagement auf die Beine gestellt. Entstanden ist es im Rahmen des deutsch-ukrainischen Theaterprojektes „Digitale Perspektiven im Jugendtheater“, das vom Goethe-Institut Ukraine initiiert wurde und gemeinsam mit der NGO Gogolfest, der Akademie für Theater und Digitalität (Dortmund) und dem Schauspiel Dortmund umgesetzt wird.
Premiere per Livestream
Reale Proben in Dortmund konnten im Oktober 2019 noch stattfinden, der Gegenbesuch musste coronabedingt leider entfallen. Doch die Teilnehmenden ließen sich dadurch nicht entmutigen: Die Premiere wurde nun per Livestream in die ganze Welt übertragen – eine gelungene Mischung aus vorproduzierten Clips und Live-Videos, untermalt von durchdachten Sounds. Somit kam nicht alles aus der „Konserve“, sondern wurde in Teilen in Echtzeit von den jungen Laien-Schauspielerinnen und -Schauspielern dargeboten. Der Inhalt: Die populärste Liebesgeschichte der Literatur von William Shakespeare – mit Romeo aus Dortmund und Julia aus Mariupol.
Doch das Drama, in dem die beiden Hauptfiguren als animierte Avatare wie in einem Online-Game zu sehen sind, bildete nur einen Teil des Konzepts. Wie die Jugendlichen derzeit ihren durch die Ausgangsbeschränkungen beeinflussten Alltag in den beiden Ländern erleben, wurde ebenfalls eindrücklich thematisiert. „Die Quarantäne treibt uns in die völlige Isolation von der Welt“, beklagt ein Teilnehmer aus Mariupol. Doch es bleibt ein Hoffnungsschimmer für ihn: „Sie zwingt uns, die Hast des Alltags loszulassen.“ Eine der jungen Frauen füttert vor der Webcam daheim ihre beiden Katzen. Tausend Gedanken jagen ihr durch den Kopf, erzählt sie. Doch Theater hilft ihr, diese Fragen zu beantworten. Optimistisch ist auch ein anderer Darsteller: „Für mich gibt es keinen Stillstand.“
Wohn- und Schlafzimmer als Kulisse
Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen die Darstellerinnen und Darsteller ganz privat, viele leben mit Eltern oder auch Großeltern zusammen, die Kulisse ist nun unglamourös das eigene Wohn- oder Schlafzimmer oder der Balkon. In einer Zoom-Konferenz sieht man schließlich am Ende des Stückes eine raffinierte Choreographie aller 20 Jugendlichen in einer Totalen, in der sie sich alle in ihrem jeweiligen Zuhause scheinbar synchron um eine Zimmerpflanze kümmern, auf ihr Bett legen oder alleine mit einem Kleidungsstück tanzen, als erträumten sie sich einen oder eine imaginäre/n Partner oder Partnerin – ein treffendes Bild für die Sehnsucht, die durch den manchmal gerade einsamen Alltag und die Trennung von vielen Freundinnen und Freunden hervorgerufen wird. So wachsen alle Beteiligten zu einer großen und virtuell vereinten Theaterfamilie zusammen.
Die Intention der Inszenierung lautet, Verständnis für einander zu schaffen und einen Perspektivenwechsel zu erreichen. Beides ist mit diesem digitalen Experiment gelungen, denn man erhält einen persönlichen Einblick in das, was die jungen Menschen gerade bewegt und beeinflusst – und das auf poetische und subtile Weise. Auch wenn die Premiere ein schönes Resultat hervorbrachte: Alle Beteiligten fiebern dem Tag entgegen, an dem sie wieder auf einer richtigen Bühne stehen dürfen. Ursprünglich sollte die Inszenierung beim Gogolfest 2020 präsentiert werden. Vielleicht wird dieser Wunsch der Jugendlichen dann 2021 wahr.
Die Premiere fand am 21. Mai statt und wurde aufgezeichnet.