Der Alltag in Deutschland
Auch wenn sich die Schultage in Deutschland und der Heimat ähneln, hat sich der Alltag der fünf Lehrerinnen oft ziemlich verändert.
Larissa
Mein Tag in Holzminden beginnt nicht so früh wie in São Paulo, nicht nur weil die Schule hier später anfängt, sondern auch weil man in São Paulo immer mit einem Verkehrsstau rechnen muss. Dort muss ich schon um 5:30 Uhr wach sein. Hier freue ich mich immer, dass ich von Montag bis Freitag um 6:30 Uhr aufstehen und mit dem Fahrrad zur Schule fahren kann. Das ist übrigens ein weiterer großer Unterschied: In meinem Heimatland fahre ich nie mit dem Rad, aber hier haben fast alle ein Fahrrad und man kann sich damit ohne Gefahr bewegen.
In der Woche beginnt der Tag ohne ein großes Frühstück, aber am Wochenende darf das Frühstück in Deutschland nicht fehlen und das ist bei mir immer gemütlich. Vor allem am Sonntag ist mir das Frühstück besonders wichtig. Erst danach kann ich in den Tag starten. Im Gegensatz dazu hat das Mittagessen hier an Wert verloren. Ich merke, dass immer mehr Menschen in Deutschland nur etwas Kleines zu Mittag essen und dafür ein warmes Abendessen zu Hause zubereiten. In Brasilien war es immer das Gegenteil: Mittagessen warm und Abendessen kalt.
Nach dem Abendessen kommen die Nachrichten um 20 Uhr und anschließend eine andere Abendsendung, die immer um 20:15 Uhr beginnt. Da habe ich meistens Feierabend und muss nicht arbeiten, wie es in São Paulo gewöhnlich war. Dennoch schaue ich selten Fernsehen, vor allem im Sommer, wenn es warm ist und die Sonne bis circa 21 Uhr scheint. Dann möchte ich lieber draußen sein und die seltenen Sonnenstunden genießen.
Natia
In Deutschland klingelt mein Wecker um 6 Uhr und ich beginne den Tag mit einer genüsslichen Tasse Kaffee. Dann fahre ich mit meinem geliebten Fahrrad in die Schule. Ohne mein Fahrrad wäre mein Alltag in Sankt Augustin unvorstellbar, weil ich fast überall damit hinfahre.
Mein Schultag dauert von 7:45 Uhr bis ungefähr 15 Uhr. Im Lehrerzimmer erfahre ich vieles über Deutschland und das alltägliche Leben. Auch in Georgien habe ich den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt.
Nach der Schule begebe ich mich meistens in die Stadtbücherei. Die Atmosphäre dort ist motivierend, sodass ich den Unterricht stundenlang in Ruhe vorbereiten kann.
Zu Hause in meinem Mietshaus plaudere ich erst eine Weile mit den Nachbarn und begebe mich dann wieder an den Schreibtisch, erledige alles Wichtige, scrolle durch die Sozialen Medien oder telefoniere mit meiner Familie. Abends schlage ich ein deutsches Buch auf und lese es laut vor dem Spiegel vor – eine gute Methode, um die Aussprache zu verbessern.
Mein Tagesablauf in Georgien sieht recht ähnlich aus, jedoch mit kleinen Unterschieden. Mein Wecker klingelt eine Stunde später, da die Schule erst um 9 Uhr beginnt. Nach dem Frühstück mache ich mich zu Fuß auf den Weg zur Schule, die nur ein paar Schritte von meinem Haus entfernt ist.
Nach Schulschluss empfange ich zu Hause meine Deutsch-Nachhilfeschüler. Mein Arbeitstag ist ewig lang und endet erst um 20 Uhr. Auch in Georgien lese ich abends einen deutschen Text vor dem Spiegel und gehe zeitig ins Bett, um den nächsten Tag mit voller Kraft zu beginnen.
Heidi
Mein Alltag in Deutschland ist gar nicht so anders als in Ägypten. Er ist aber besonders.
Als Lehrerin fange ich meinen Tag um 5 Uhr morgens an. Um 7 Uhr muss ich in der Schule sein. Die ersten 15 Minuten verbringe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer. Da trinken wir gemeinsam eine kleine Tasse Kaffee und bereiten uns für die erste Stunde vor. Diese Viertelstunde motiviert mich und bringt mir gute Laune. Auch in Ägypten begrüßen wir uns und trinken zusammen Kaffee oder Tee.
Der Schultag verläuft ein wenig anders: In Deutschland gehen alle Schülerinnen und Schüler sofort in ihre Klasse. In Ägypten treffen sich die Lehrkräfte mit ihrer Klasse auf dem Schulhof, fangen mit dem Fahnengruß an und marschieren dann alle zusammen ins Klassenzimmer.
In beiden Ländern hat der Alltag einer Lehrkraft denselben Ruf. Viele meinen, als Lehrer hätte man viel mehr Freizeit als in anderen Berufen. Dabei ist es wie bei Schauspielerinnen und Schauspielern: Obwohl man nur zwei Stunden am Abend auf der Bühne steht, ist enorm viel Zeit für das Proben nötig. Von Lehrkräften beider Länder wird zum Beispiel immer mehr erwartet, dass sie einen professionellen Umgang mit digitalen Medien vermitteln. Das ist eine große Herausforderung für die meisten Lehrkräfte.
In Deutschland hat sich außerdem meine Vorbereitung für meine Stunden verändert. Da alle Schüler und Schülerinnen in Deutschland Muttersprachler sind, muss ich mich anders vorbereiten.
Das Schöne am Lehrerberuf ist und bleibt aber die Abwechslung – ganz egal, wo auf der Welt. Natürlich muss ich mich an den Rahmenlehrplan halten, kann aber den Unterricht so gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler mit Freude und Interesse dabei sind.
Uyanga
Mein Alltag änderte sich, als ich Anfang des Jahres aus der Mongolei in München nach etwa 25 Stunden Reise angekommen war. Schon nach wenigen Augenblicken wurden mir die Unterschiede bewusst. Die Menschen sehen anders aus, reden und bewegen sich anders. Die Gebäude und die Straßen fühlten sich auch ganz fremd an.
Allein der klimatische Unterschied zwischen den beiden Ländern ist sehr gravierend. In der Mongolei lebe ich auf 1.500 Metern über dem Meeresspiegel, wo die Luft dünn und überwiegend sonnig ist. In Deutschland ist es regnerisch und die Luft ist sehr feucht. An manchen Tagen vermisse ich die Sonne, wenn sich der schöne blaue Himmel hinter der Wolkendecke versteckt. Trotzdem mag ich die Natur in Deutschland. Ich höre immer das Rauschen des Flusses, der neben meiner Wohnung fließt. Es ist wie ein bezauberndes Gutenacht-Lied, das ich gerne höre, bevor ich einschlafe.
Auf dem Weg zur Schule zieren hübsche Blumen die Wege und Fensterbretter. Nach nur zehn Minuten bin ich schon da. In meiner Heimat dauert manchmal nur die Hinfahrt zur Arbeit zwei Stunden. Dank der guten Infrastruktur hier habe ich jetzt viel mehr Zeit für mich selbst und genieße sie – auch, wenn ich die Zeit lieber mit meiner Familie verbringen würde.
Noch ein Unterschied ist die große Auswahl beim Einkaufen. Nachhaltigkeit wird in Deutschland viel diskutiert und hat einen großen Stellenwert, worauf auch ich in der letzten Zeit mehr achte. Ich denke, dass es gut ist, im Alltag Gewohnheiten öfter ändern zu müssen. Das ist eine gute Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln.
Gentiana
Die Tage in Deutschland dauern viel länger als in Albanien, da es länger hell ist. Das Klima ist auch anders. In Deutschland kann man an einem Tag vier Jahreszeiten erleben.
Mein Tag in Leipzig fängt sehr früh mit einem schnellen Frühstück und einer Tasse Kaffee an. Danach laufe ich zu Fuß zur Schule. Ich laufe gern. Unterwegs kann ich das Leben der Stadt beobachten. Ich finde es schön, dass so viel Fahrrad gefahren wird. Besonders die jungen Familien mit kleinen Kindern. In meinem Land wird viel Auto gefahren.
Der Schultag ist in beiden Ländern vielfältig und bunt. In Leipzig unterrichte ich jeden Tag dieselbe DaZ-Schülergruppe. In Tirana sind es unterschiedliche Klassen. Der Schultag hier im Anton-Philipp-Reclam Gymnasium beginnt zuerst mit einem schönen „Guten Morgen“ im Lehrerzimmer. Das „Guten Morgen“ begleitet mich bis zum Klassenzimmer. Jeder begrüßt jeden. Ein schöner Einstieg in den Schultag.
Ich erlebe hier einen sehr interaktiven und modernen Unterricht und die Lehrkräfte sind alle hochqualifiziert. Der Alltag wird aber auch durch die Corona-Pandemie geprägt: Hygienemaßnahmen, Abstandsregeln, Masken im Unterricht und zweimal die Woche Schnelltests sind vorgeschrieben.
Die Nachmittage sind dann für die Schulvorbereitung da. Danach mache ich oft einen Spaziergang im Park. Ich gehe gerne über die Sachsenbrücke und genieße den Blick auf die Elster. Man kann dem Wasser lauschen und sieht einige Leute Boot fahren. Der Spaziergang durch den Johannapark ist Teil meines Alltages, wo ich den Sonnenuntergang am liebsten genieße.