An den Deutschen Auslandsschulen können Jugendliche das Deutsche Internationale Abitur sowie das Deutsche Sprachdiplom (DSD) erwerben. Einige Schulen bieten auch berufliche Bildung an, in Form einer Fachoberschule oder einer dualen Ausbildung. Das öffnet den Jugendlichen die Tür zum deutschen und europäischen Arbeitsmarkt.
Das deutsche duale Ausbildungssystem ist weltweit einzigartig. Es verbindet den Unterricht in der Berufsschule mit der praktischen Arbeit im Betrieb. Während der Ausbildung sind die Auszubildenden im Unternehmen angestellt und verdienen schon Geld. Meistens werden sie nach ihrem Abschluss vom Betrieb übernommen. Auch wenn das nicht geschieht, haben sie durch die praktische Erfahrung einen klaren Vorteil auf dem Arbeitsmarkt. In Deutschland gibt es für nahezu jeden Beruf eine duale Ausbildung, die in der Regel zwei oder drei Jahre dauert und der Schlüssel zu einer qualifizierten Arbeitsstelle ist.
Zehn Berufsbildungszentren im Ausland
Auch zehn Deutsche Auslandsschulen bieten eine zweijährige duale Ausbildung an, meistens im kaufmännischen Bereich und in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft.
Dabei kümmern sich die Auslandsschulen um den theoretischen Teil der Ausbildung, so wie es in Deutschland in den Berufsschulen passiert. Der Unterricht, der auf Deutsch stattfindet, ist auf die praktische Arbeit im Unternehmen abgestimmt, bei der überwiegend die Landessprache verwendet wird. Das heißt, die Auszubildenden verbringen einen Teil ihrer Lernzeit in der Schule und einen Teil in der praktischen Ausbildung im Betrieb.
Ein zweiter Weg, an Deutschen Auslandsschulen einen Beruf zu erlernen, ist die Fachoberschule. Die Schülerinnen und Schüler lernen dann in Vollzeit an der berufsbildenden Schule, sie arbeiten noch nicht parallel in einem Unternehmen. Sie können sich auf die Fachrichtungen Wirtschaft und Verwaltung oder Sozialwesen spezialisieren. Zusätzlich zum Unterricht absolvieren sie verschiedene Praktika. Am Ende erwerben sie die Fachhochschulreife und können europaweit viele Studiengänge mit Bachelor-Master-Struktur belegen.
Großes Berufsbildungszentrum in São Paulo
Das Colégio Humboldt in São Paulo ist eine der Auslandsschulen mit einem berufsbildenden Zweig. Seit 42 Jahren können Jugendliche hier einen Beruf nach dem deutschen Ausbildungssystem erlernen. Wer eine duale Ausbildung machen möchte, kann aus drei Berufen wählen: Industriekaufmann/-frau, Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement sowie Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistungen. Die Jugendlichen haben während der beruflichen Ausbildung ebenfalls die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erlangen. Dafür sind drei zusätzliche Prüfungen in Deutsch, Mathematik und Englisch notwendig. Egal, welchen Weg sie wählen: Sie werden hervorragend auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet. Ihre Abschlüsse sind außerdem in Brasilien und ganz Europa anerkannt.
Die duale Ausbildung ist etwas Besonderes, denn die Auszubildenden verbringen viel Zeit in einem Unternehmen. Der Unterricht an der Berufsschule findet in Blöcken von drei Mal sechs Wochen pro Jahr statt. Die restliche Zeit arbeiten sie im Ausbildungsbetrieb. Im Großraum São Paulo sitzen zahlreiche Firmen, darunter etwa 800 deutsche wie zum Beispiel VW, Mercedes-Benz, BASF, Nivea oder DHL. „Durch die duale Ausbildung sind wir eng mit den Unternehmen verflochten“, sagt der Leiter der Berufsschule, Jan Detmering. „Nicht nur mit deutschen, sondern auch mit multinationalen.“
Manche der internationalen Unternehmen kennen das deutsche Ausbildungssystem zunächst nicht, berichtet Jan Detmering. „Einige unserer Absolventinnen und Absolventen arbeiten jetzt im Management großer Unternehmen in São Paulo und setzen sich dafür ein, dass ihre Arbeitgeber auch Auszubildende aufnehmen“, sagt er. „Die Absolventen sind unser bester Leumund.“ Gleichzeitig werde so auch das deutsche Ausbildungssystem immer bekannter.
Gelerntes gleich im Unternehmen anwenden
Mariane Lula Heineken Rodrigues macht am Colégio Humboldt gerade eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Sie ist 19 Jahre alt und im zweiten Ausbildungsjahr beim Autohersteller Audi beschäftigt. Die Ausbildung gefällt ihr gut, ganz besonders der Praxisbezug. „Wir nutzen das, was wir in der Schule lernen, gleich bei der Arbeit“, sagt sie. „Wenn man studiert, entdeckt man dagegen erst nach dem Abschluss, wie das Gelernte im Arbeitsalltag angewendet wird.“ Während der Ausbildung lernt sie außerdem verschiedene Abteilungen des Unternehmens kennen. „So kann man sich gut entscheiden, wo man in Zukunft arbeiten möchte“, sagt Mariane, die schon in der Finanzabteilung war, im Verkauf und im Marketing. Momentan arbeitet sie im Kundendienst. Wie alle Auszubildenden am Colégio Humboldt lernt sie vier Sprachen. Neben Deutsch und Wirtschaftsdeutsch hat sie Unterricht in Spanisch, Englisch und natürlich Portugiesisch. So sind die Jugendlichen sprachlich fit für den Arbeitsmarkt in Europa sowie auch in Nord- und Südamerika.
Mariane, warum hast du dich für die Ausbildung entschieden?
Was macht dir in der Ausbildung am meisten Spaß?
Was sind deine weiteren Pläne für die Zukunft?
Eine Arbeitsstelle in Deutschland
Auch Dominik Lucas Erd hat am Colégio Humboldt und bei Audi eine Ausbildung als Industriekaufmann gemacht. Seit eineinhalb Jahren arbeitet er in Deutschland, bei der Firma Bleker Autoteile in Nordrhein-Westfalen. Dort nimmt er Aufträge an, berät Kunden, sucht die passenden Autoteile heraus und verschickt sie. „In der Zukunft möchte ich aber im Außendienst arbeiten“, sagt er. „Unsere Firma betreibt eigene Autohäuser. Ein paar davon würde ich dann betreuen.“ Dominik ist 28 Jahre alt. Nach der Schule hat er in Brasilien vier Jahre in einem Reisebüro gearbeitet und zweimal ein Studium begonnen – und wieder abgebrochen. Erst dann hat er sich für die duale Ausbildung entschieden. Während des Lernens schon die Praxis zu erleben, ist auch für ihn wichtig. „Besonders interessant fand ich die Erfahrung, wie sich mein Wissen kontinuierlich aufgebaut hat und ich mich ständig weiterentwickelt und verbessert habe“, sagt er.
Dominik, warum hast du dich für die duale Ausbildung entschieden?
Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Was hat dich am Arbeitsleben überrascht?
Wie Dominik machen es viele junge Fachkräfte, die das Colégio Humboldt in São Paulo besucht haben. „Ungefähr 35–40 Prozent gehen nach dem Abschluss nach Europa“, erzählt Berufsschulleiter Jan Detmering. „Unserer Erfahrung nach studiert eine Hälfte und die andere Hälfte nimmt eine Arbeitsstelle an.“ Gut vorbereitet wurden alle von ihnen, in einem Berufsbildungszentrum einer Deutschen Auslandsschule.